Single Grain, Single Cask (Teil 3)
Es wird Zeit für einen weiteren Schwung an Single Grains. Das gibt uns die Chance wirklich weit zurück in der Zeit zu gehen und wirklich lange Reifezeit zu erforschen.
North British 2007 – whic
Aber wir beginnen mit einem Youngster. Zumindest für Grains: Ein North British. Abgefüllt vom deutschen Händler whic. Als 16ter in der Reihe Amazing Whiskies wurde er nach 14 Jahren abgefüllt worden. Zum Schluß war in einem Sherry Butt. 462 Flaschen mit 54,2% gab es. Link zur Whiskybase
Nase: Zwischen Seife und Sherry. Tannennadeln, Kiefernzapfen, Seife. Tabak, Leder, Seife. Kirschen, Erdbeeren, Trockenfrüchte, Seife. Das ist anstrengend.
Mund: Tabak, Rosinen, Leder auch andere Trockenfrüchte. Zedernholz. Und zum Glück keine Seife mehr. Nach einiger Zeit kommt eine würzige Komponente dazu.
Abgang: Konsistent geht es weiter. Wieder Trockenfrüchte, Pflaumen, Feigen, Aprikosen. Dann auch viel Tabak und eine raumfüllende Würze.
Fazit: Die Nase ist wirklich nichts für mich. Das ist irgendwo zwischen wild und Fehlnoten. Der Rest ist ein solides bis gutes Sherrybottling. Schade eigentlich. 80/100
Strathclyde 1993 – Phil & Simon Thompson
Technisch passt der hier nicht zum Titel des Posts. Nicht ganz ein Single Cask. Bei Strathclyde gebrannt, in 2 Refill Barrels zum Reifen gelegt und nach 29 Jahren von Phil & Simon abgefüllt. Das Ergebnis sind 379 Flaschen mit 57,1%. Das ist wiederum ziemlich komisch. Eigentlich müssten es mehr Flaschen sein. Link zur Whiskybase
Nase: Gedanken sind sofort im Süßwarenladen, klebriges Zuckerzeug, Marzipan, gebuttertes Popcorn. Neben dem Süßkram gibt es auch noch kräutrige und florale Noten. Die offiziellen Notes sagen Kamille, das kann ich gut mitgehen.
Mund: Kurz geht es würzig und wärmend los. Etwas Pfeffer und Ingwer. Dann kommt Vanillesirup über dem Popcorn von eben. Karamellisierte Mandeln dazu. Die florale Note ist auch noch da.
Abgang: Die Blumen werden wieder zu Kräutern. Minze. Würzige, wärmende Maische. Die Süße bleibt. Stark gezuckerte Sahne mit Zitronenabrieb.
Fazit: Wenig aufregend, ziemlich rund. Und für das Alter auch irgendwie unterkomplex. Es ist aber auch kein Schlechter Whisky deswegen. Die Frage ist nur: Was will man damit erreichen. Was sagt die hohe Altersangabe wirklich aus? 83/100
North British 1988 – Phil & Simon Thompson
Wir bleiben in den Lowlands und gehen wieder zu den „Nachbarn“ bei North British. Eine der größten und ältesten Grain Destillerien. Auch wieder abgefüllt von den Thompsons. Diesmal aus einem Refill Butt. 311 Flaschen mit 51,7% sind das Ergebnis. Bei der Altersangabe bin ich ein wenig unsicher. 1988-2022 im Fass ergibt bei mir irgendwie mehr als 30 Jahre. Link zur Whiskybase
Nase: Etwas Farbverdünner sticht hervor. Dahinter kommt Popcorn, Zuckerwatte und Röstmalz. Leckerli für Nagetiere. Etwas Heu. Eine Fruchtnote, aber nichts frisches.
Mund: Saure Früchte, vor allem Zitronen. Dazu Zuckerguss und Vanille. Auch etwas Salz und florale Elemente. Malz und Honig.
Abgang: Die Säure wird um Bitterstoffe ergänz. Nichts zu aufdringliches. Milchkaffee. Leicht angebrannte Gebäckstücke. Das ergibt zusammen aber eine schöne Tiefe. Etwas Eichenwürze kommt dazu und macht es ingesamt trocken.
Fazit: Das ist bis auf den allerersten, kurzen Eindruck eine schöne Sache. Hier kann man das Alter durchaus erahnen. Mit dem kann man eine Zeit lang Spaß haben. 86/100
North British 1987 – SMWS G1.17 „Pure Pleasure“
Noch ein North British. Diesmal 31 Jahre in einem 2nd Fill Bourbon Barrel. Mal sehen was die Scotch Malt Whisky Society hier mit 55,6% in nur 78 Flaschen gefüllt hat. Das ist übrigens wieder so eine Flaschenzahl, bei der ich mich Frage: Was ist mit dem Fass passiert? Link zur Whiskybase
Nase: Zuerst kommt extrem butteriges, vanilliges Popcorn. Dann ganz kurz Pappkarton, um direkt von Cerealien und Nüssen ersetzt zu werden. Dann kommen getrocknete Kräuter. Allen voran Thymian. Unmengen davon. Nach einiger Zeit im Glas geht das dann in Richtung Tabak.
Mund: Süßes und Salziges Popcorn gleichzeitig im Mund. Dann etwas Pfeffer und Ingwer. Ein leicht metallischer oder mineralischer Unterton. Dann geht es nochmal weiter mit mehr Tabak und Vanille.
Abgang: Leicht nussig und hellfruchtig. Milchkaffee, Milchcreme, Honig. Das würde ich unter „mellow dram“ verstehen, wenn man das zu einem Begriff machen möchte. Nach einer Weile kommt ein wenig Pfeffer und Wärme zurück. Das ist eine nette Überraschung, gerade wenn man bereits dabei ist den Dram zu vergessen.
Fazit: Beim ersten mal fand ich den deutlich anstrengender als beim zweiten mal. Da habe ich ihn in einem Tasting eingebracht und er wurde generell recht positiv aufgenommen. Schön, wenn man eine Entwicklung in der Flasche sehen kann. 85/100
Invergordon 1972 – Mancarella
Zeit für einen Wechsel in die Highlands. Ein Invergordon. Diesmal 46 Jahre alt, aus einem Hogshead und abgefüllt von der deutschen Abfüller“legende“ Dino Mancarella. 49,2% standen da noch zu Buche. Link zur Whiskybase
Nase: Am Anfang die typischen Klebstoffnoten. Die gehen aber zeitnah weg. Dann wird es schön, nicht übertrieben, süß. Popcorn, Vanille, angebrannter Zucker. Dann kommen dezente Fruchtnoten, Apfel, Birne, Aprikose. Dann kommen einige Gebäckstücke mit einem Hauch von Haselnuss und dunkler Schokolade darin.
Mund: Nüsse und Vanille, mit Zitrusnoten. Tatsächlich relativ zurückhaltende Süße. Sie begleitet den Rest eher. Eine schöne Eichenwürze kommt dazu. Dann ein paar Kokosspäne, die Früchte aus der Nase dazu, Cognac darüber und schön flambieren.
Abgang: Schön würzig und gleichzeitig weiterhin süß. Nach einiger Zeit kommen Rosinen, Pflaumen, Milchkaffee und Schokoladennoten. Dazwischen ein wenig Zitronenabrieb.
Fazit: Ein wunderschöner Grain. Die Komplexität und Tiefe ist phenomenal, die Aromen passen gut zusammen und auch der Abgang kann für sich stehen. Das ist einfach richtig gut. 90/100
Invergordon 1964 – East Village Whisky Company
Technisch gesehen ist das kein Whisky mehr. Er ist unter die magischen 40% gefallen. Also ist ein Spirit Drink mit 39%. 56 Jahre war er in einem Barrel bis er 2021 von der East Village Whisky Company für den Händler Whisky Maniac abgefüllt wurde. 115 Flaschen haben die Engel übrig gelassen. Link zur Whiskybase
Nase: Holzleim und Holzlatten. Allerdings nicht so unangenehm wie das Original. Helle Trockenfrüchte kommen hinterher, zusammen mit Getreide und Backzutaten. Gemahlene Nüsse, Orgeat. Eichenwürze kommt später dazu. Zusammen mit alten Möbeln, entsprechender Politur und trockenem Papier.
Mund: Eierlikör, der so trocken ist wie Rotwein. Vanillegebäck nach vier Tagen an der Luft, getaucht in Milch. Ein paar Früchte aus dem Garten. Aprikose, helle Äpfel. Dazwischen immer wieder intensive aber nicht störende Eichennoten.
Abgang: Es bleibt nicht viel mehr als das Mundgefühl. Zwischen cremig, mit einem Hauch Vanille und trocken mit etwas Eiche. Ich finde ihn gar nicht mal als besonders kurz, eher besonders leise.
Fazit: Sehr lecker, allerdings kann ich die sich überschlagenden Bewertungen in der Base nicht komplett stützen. Der Abgang ist nunmal nicht beeindruckend und es ist auch bei weitem nicht der heilige Gral der Grains. Aber er ist wirklich gut. 89/100
Bei Grain ist Zeit wichtiger als das Fass(?)
Zumindest bei meinen sechs Grains hier würde ich dem schon ziemlich zustimmen. Das Sherryfass hat viel weniger heilen können als die vielen Jahre, die bei den Invergordon zu Buche stehen. Ob das immer gilt weiß ich natürlich nicht. Es ist auf jeden Fall schön zu sehen, dass auch lange gereifte Grains, die nicht im Sherry ertränkt wurden, sehr lecker sein können.
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Bilder: Titel: Photo of a wheat field by Polina Rytova on Unsplash | Flaschen: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Eigene Flaschen, privat gekauft und kostenlos von whic.de zur Verfügung gestellt (North British 2007)
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