Die Geschichte eines Tastings

Ein hochtrabender Titel. Doch genau das ist mein Reviewbeitrag heute. Die siebenjährige Geschichte eines Tastings. Oder eher die Geschichte von sieben Tastings. Die Drams, die ich heute verblogge sind die Dokumentation eines großartigen und jährlich wiederkehrenden Ereignisses. In einem kleinen Kreis von Freunden werden wir alljährlich um den Jahreswechsel zu einem lehrreichen und vor allem großartigen Tasting eingeladen. Da waren schon viele Themen dabei, wie z.B. Grain oder Whisky & Wein oder “verrückte Fässer”. Und weil wir uns so freuen über die Einladung bringen wir jedes Jahr eine Flasche Whisky als Geschenk für unseren Gastgeber mit. Die er dann nicht, wie wahrscheinlich jeder andere, einfach irgendwann aufgemacht hat. Er hat sie gesammelt, um damit dann erneut ein Tasting damit zu machen. Wie großartig ist das denn?
Deshalb geht es heute auch thematisch ein wenig kreuz und quer. Es war mir aber viel wichtiger das tolle Ereignis zu würdigen, als die Whisky mit anderen ihrer Kategorien zu verarbeiten.

Speyside Distillery 2000 – Whiskybroker

Eine Flasche Speyside Distillery 2000 vom Whiskybroker

Wir beginnen mit dem offensichtlichen. Ein Bourbon Hogshead aus der Speyside Distillery. Das einzige Bourbon Cask im Line-up, ungetorft, das muss der Start sein. 18 Jahre alt, 229 Flaschen, 56,2% und abgefüllt vom Whiskybroker. Link zur Whiskybase

Nase: Die allererste Assoziation bei mir ist: Bierbrand. Hervorgerufen durch eine solide Menge an Malz. Dazu kommt eine ganz leichte Fruchtnote, mit ein dezenter Vanille und etwas Nüssen.

Mund: Starker, zitroniger Einstieg über Limette und Zitrone. Dann wieder das Malz. Es kommt eine herbere Note in Richtung Tee dazu.

Abgang: Gleich mal erstaunlich trocken. Eher ein typisches Weinfassattribut. Er ist auch wärmend. Dazu kommt Salz, Karamell, Heidelbeeren – auch nichts was ich hier erwarten würde. Dann noch Kaffee, Röstmalz und ein Touch Fudge.

Fazit: Durch die Bank von allen für gut befunden. Die Sorge vor Klebstoffnoten, die vorher im Tastingraum stand, hat sich nicht bestätigt. Ein schönes Bottling, zu dem man gerne zurückkehrt. 88/100

BenRiach 15-year-old Madeira

Eine Flasche BenRiach 15-year-old Madeira

Aus der Wood Finish Serie von BenRiach stammt dieser in Madeira gereifte Vertreter. Abgefüllt wurde mit immer mit 46% in unterschiedlichen Batches. Die Reihe ist mittlerweile eingestellt. Link zur Whiskybase

Nase: Sehr süß, mit roten und dunklen Früchten. Dazu Kräuter, mit einer Betonung auf Minze. Das ist jetzt nicht besonders komplex und mir ehrlich gesagt zu süß.

Mund: Angebranntes Karamell, die Fruchtigkeit geht dafür zurück. Auch eine leichte Säure kommt noch mit dazu. Das ist schon spannender.

Abgang: Nachdem es im Taste etwas balancierter wurde ist jetzt die Süße wieder überpräsent. Dazu ist er leicht holzig. Am Ende geht das Ganze in Richtung Himbeerbonbons vom Jahrmarkt oder sogar Glühweinbonbons vom Weihnachtsmarkt.

Fazit: Ein Bottling das eher auf den Massenmarkt ausgerichtet ist und dort sicher seine Berechtigung hat. Spannend finde ich das es ein Age Statement trägt, sowas würde man aktuell wahrscheinlich eher als NAS abfüllen und mit jüngeren Fässern auffrischen. 83/100

Glenburgie 2002 – IanMacleod

Eine Flasche Glenburgie 2002 von IanMacleaod

Wir bleiben bei den Fortified Wines und zwar mit einem Manzanilla Sherry Cask. 603 Flaschen mit 56,8% ergaben sich daraus. 13 Jahre wurde er insgesamt gereift und dann von IanMacleod in der Reihe Dun Bheagan. Link zur Whiskybase

Nase: Unreife Südfrüchte stehen wie eine Mauer im Glas. Der braucht erstmal Luft. Dann machen die Früchte den Raum auf und vermengen sich mit Nuss und Nougat.

Mund: Ein Bananensplit bei dem die Menge an Bananen und Nuss getauscht wurde. Fühlt sich im Mund trocken an. Wir haben auch diskutiert dass mein Bild vom Bananensplit auch durch “Banane getaucht in flüssiges Nutella” ersetzen könnte.

Abgang: Sherryfass spricht weiter nur in eine bestimmte Richtung mit: Nüsse. Die Früchte sind langsam ausgelutscht.

Fazit: Schönes Bottling, mit einem etwas ungewohnten Einfluss durch das Sherry Cask. Manzanilla ist ja als Sherry mit Fino Charakter auch nicht der üblich verwendete Stil. Ein echtes “mehr davon” hat sich bei mir nicht ergeben, aber sowas immer wieder zu probieren finde ich sehr spannend. 86/100

Linkwood 2010 – Signatory Vintage

Die Local Dealer Selection war eine kurze Reihe, bei der sich deutsche Whiskyhändler mit dem unabhängigen Abfüller Signatory Vintage zusammengetan haben. Aus deren Fasslager haben sie insgesamt 23 Fässer ausgewählt und gemeinsam in den Markt gebracht. So z.B. diesen Linkwood. Neun Jahre alt, aus einem Recharred Wine Hogshead. Ergibt 285 Flaschen mit 58,6%. Link zur Whiskybase

Nase: Das ist spannend und auch ein wenig anders: Haribo Goldbären in Ketchup gestipt. Vielleicht sollte ich das mal ausprobieren? Dazu kommt Vanille und Holz. Letzteres ist ein wenig erstaunlich bei Alter, es ist aber auch nicht störend.

Mund: Aus dem Ketchup werden jetzt eher Gewürze und Kräuter. Er ist recht kantig im Antritt, das gleicht sich durch Süße gut aus. Ab hier kommt der (Rot?)-Wein stärker zur Geltung mit Walnuss und Leder.

Abgang: Die Komplexität nimmt ab. Da ist jetzt noch dunkles Karamell, einige Bitter- und Gerbstoffe und weiterhin das Leder.

Fazit: Ich muss sagen, mein leichtes Fabel für Linkwood wurde hier gut befriedigt. Auch die Kombination mit dem Weinfass ist schön. Da ist der Charakter des Destillats immer noch vorhanden und gleichzeitig gibt es einen neuen Layer zu entdecken. 87/100

Aberlour A’bunadh Batch #57

Eine Flasche Aberlour A'bunadh Batch #57

Wir hatten vor dem Tasting eine kurze Diskussion in welchem Jahr diese Flasche in den Bestand gewandert sein kann und wieviele Batches der Aberlour Standardabfüllung jedes Jahr rauskommen. So genau haben wir es spontan nicht rausgefunden, aber das Bottling hier kam auf jeden Fall in 2016 auf den Markt. Gewohnt hochprozentig mit 60,7% und wie immer aus Oloroso Sherry Butts. Flaschenanzahl und Alter unbekannt. Link zur Whiskybase

Nase: Sehr würzig, der Oloroso hat seine Arbeit verrichtet. Das geht teilweise sogar in die Richtung Weihnachtsgewürze und Nelke (zum Glück nicht zu viel). Aber auch Rinderkraftbrühe. Dazu Leder, etwas Nüsse.

Mund: Die Intensität der Gewürze geht zurück, aber nicht die Intensität an sich. Der Sherry ist weiter präsent, jetzt eher süß und auch trocken. Dazu kommt ein Ausflug ins Maleratelier.

Abgang: Schön salzig geht es dann dem Ende zu. Mit dunkler Schokolade, als Ergänzung zur Brühe. Er bleibt relativ lange. Das ist mehr der Alkoholstärke geschuldet, aber auch den Aromen.

Fazit: A’bunadh empfinde ich meistens als gute Sherrybottlings, die man durchaus “dauerhaft” im Regal haben kann. Der hier ist für mich sogar einer der besseren Vertreter. Natürlich muss man die Intensität dafür mögen. 88/100

BenRiach 2009

Eine Flasche BenRiach 2009 für den französischen Markt

Ein weiterer BenRiach. Diesmal aus dem Port Cask und getorft, deshalb reiht er sich auch als Abschluss der dunklen Wein/Sherry/etc.-Reifungen ein. 12 Jahre war im Fass und wurde 2021 mit 59,9% in 825 Flaschen gebracht. Anfangs für den französischen Markt, er war dann aber doch auch in Deutschland erhältlich. Link zur Whiskybase

Spaßeshalber habe ich mal mit der künstlichen Intelligenz ChatGTP experimentiert und sie Tastingnotes für diesen Whisky schreiben lassen. Das kam dabei raus:

Der BenRiach 2009 Single Cask aus dem Port Pipe ist ein wirklich beeindruckender Whisky. Der erste Eindruck, den man beim Einschenken bekommt, ist ein tiefdunkles, kräftiges Rot. Der Duft ist intensiv und voller Aromen von reifen Früchten, Schokolade und einer leichten Rauchnote.

Der Geschmack ist ausgewogen und komplex. Zunächst fühlt man sich von den fruchtigen Aromen wie Pflaume und Rosine angezogen, gefolgt von einer angenehmen Schärfe von Gewürzen und einer leichten Rauchnote. Der Abgang ist lang anhaltend und wärmend, mit einer angenehmen Süße und einer leichten Würze.

Insgesamt ist der BenRiach 2009 Single Cask aus dem Port Pipe ein großartiger Whisky, der sowohl für Einsteiger als auch für erfahrene Whisky-Kenner geeignet ist. Er hat eine beeindruckende Tiefe und Komplexität, die ihn von anderen Whiskys in seiner Preisklasse abhebt. Ich kann ihn nur empfehlen und würde ihn jederzeit wieder trinken.

ChatGTP über diesen Whisky. Hier der Chat als Screenshots: Bild 1, Bild 2

Nun, ich finde es tatsächlich beeindruckend. Der Text könnte wirklich gut zu diesem Whisky passen. Allerdings mein Stil, wie ich es erfragt hatte, ist das wohl kaum. Liegt natürlich auch daran, dass der KI-Chatbot wohl nicht meine Texte analysiert hat, bevor die Notes generiert wurden. Soweit sind wir (noch) nicht. Deshalb hier dann noch meine echten Eindrücke:

Nase: Zuerst habe ich da Blaubeeren. Die werden in Brühe gekocht. Dann kommt staubtrockene, dunkle Schokolade. Ergänzt um etwas Vanille und mit der Zeit auch deutlich Torf und Rauch.

Mund: Heftiger Antritt. Das ist Synapsendisko dank 60% Alkohol. Wenn sich das legt kommen Aprikosen, Äpfel und auch verbrannte Kräuter. Mit etwas Kaubewegungen dann noch Torfboden und Asche.

Abgang: Es wird bittersüß. Bittere Kirschen (gibt es sowas?). Dann kommt Kaffee und Kaffeemehl. Der Torf bleibt präsent. Die Früchte von oben wurden geräuchert.

Fazit: Lecker, wenn auch mit ordentlich “ins Gesicht”. Wenn man sowas mag, dann ist man hier genau richtig. 87/100 Wasser holt mehr Rauch und helle Früchte hervor.

Scotch Universe Andromeda V – 94° LP.4.1′ 1898.1″

Eine Flasche Scotch Universe Andromeda V - 94° LP.4.1' 1898.1" (Ardmore)

Jetzt braucht es wieder eine Übersetzung vom Scotch Universe zur Realität. Hinter Andromeda steckt Ardmore. Hier ein sieben Jahre altes Bottling, leicht getorft und gereift im 1st Fill Marquis de Terme Barrique. Französischer Süßwein also als Abschluss. 59,2% stark ist er und eine Angabe zur Flaschenzahl gibt es nicht. Link zur Whiskybase

Nase:: Jung, fruchtig, torfig, rauchig. Oder eher Torfrauch. Die Früchte sind eher hell. Weiße Trauben, Pfirsich – solche Sachen. Dazu kommt auch noch etwas Gummi und Gummiabrieb.

Mund: Leicht würzig geht es weiter. Das ist wahrscheinlich der Antritt von fast 60%. Dann wird es wieder fruchtig. Mit Zitrone und Pfirsich. Dann noch Butter und Salz bevor der Rauch wieder einsetzt.

Abgang: Am Ende bleibt von der Frucht nur noch der Pfirsich. Die üblichen Bitterstoffe, hier in der Ausprägung Schokolade, kommen dazu. Der sowieso schon nicht zu aufdringliche Torf und Rauch wird noch etwas weniger.

Fazit: Wahrscheinlich hätte der auch mit dem BenRiach zuvor getauscht werden können, hätte besser gepasst von der Torfintensität her. Ansonsten ist das ein ganz schöner Dram mit jugendlich verspielter Fruchtnote und dezentem Rauch. Solide. 85/100

Ein Fest

Das hat so so viel Spaß gemacht. Vom ersten Moment des großen Hallo, über das gemeinsame Puzzeln einer guten Reihenfolge bis hin zum unverkopften Verkosten mit viel Spaß im Glas. Deshalb möchte ich heute als Fazit auch keine Zusammenfassung der Drams abgeben, sondern kann nur allen whiskyinteressierten Menschen empfehlen so etwas auch mal auszuprobieren. Ein Kreis von Vertrauten, ein paar Drams und eine gute Zeit. Ein Rezept für einen tollen Abend. Man kann z.B. mit einem “Bring your own Bottle” beginnen und von dort schauen wie es sich entwickelt.
Danke an die tolle Runde und das ich Teil dieser sein darf. Allen voran natürlich unserem Host!

Mehr zu: Aberlour, Ardmore, BenRiach, Glenburgie, Linkwood, Speyside Distillery
Bilder: Eigene Anfertigung
Samples: Eigene Flaschen des Gastgebers, die wir ihm über die Jahre aufs Auge gedrückt haben 😉