Eine Hand voll Highlands (Teil 5)
Die Highlands wurden in den letzten Wochen ein wenig vernachlässigt. Üblicherweise hab ich da auch seltener was im Glas. Heißt aber nicht, dass hier keine Schätze zu finden sind.
Glen Garioch 15-year-old (2019)
Ich beginne die Session mit einem Standard, der mir schon sehr oft empfohlen wurde. Der 15 Jahre alte Vertreter von Glen Garioch reift in Oloroso Sherry Casks und wird fassstark abgefüllt (53,9%). Ganz konkret ist hier die Abfüllung aus der Rotation 2019 im Review. Link zur Whiskybase
Nase: Sehr prägnante und würzige Sherrynase. Maggiekraut trifft Sojasauce trifft Vanillecola. Da ist wirklich beeindruckend viel los.
Mund: Weiterhin würzig und leicht fruchtig. Sojasauce, Kaffee, Pflaumenmus, Orangenspalten in Sherry.
Abgang: Salzig, leicht trocken. Mit Trockenfrüchten und auch -fleisch. Dazwischen klebt ein wenig Mus aus Beeren. Die Bitterstoffe gehen stark Richtung Kaffee und sind am Ende ziemlich anspruchsvoll.
Fazit: Extrem schönes Originalbottling. Die Bitterstoffe an Ende sind eher für Fortgeschrittene, aber ansonsten können sich da einige was abschneiden. 89/100
Balblair 1991 3rd Edition
Aus einer Zeit, in der Balblair noch Vintage Abfüllungen raus brachte, stammt dieser Vertreter. Die Abfüllungen waren in Editions unterteilt. Eine neue kam immer dann heraus wenn sich der Stil deutlich verändert hatte. D.h. ganz genau sagen wie alt der Whisky war konnte ma nie. Dieser hier wurde 2018 abgefüllt und stammt aus Bourbon und 1st fill Sherry Casks. Abgefüllt wurde mit 46% Link zur Whiskybase
Nase: Die Sherryfässer haben ganze Arbeit geleistet. Tabak und Leder sowie getrocknete Heidelbeeren. Dazu dann einige Gewürze. Ingwer, etwas Pfeffer, Zimt und Muskat. Außerdem ein schöner Mix aus Brot und Frucht. Quasi ein frisches, nicht getrocknetes Müsli.
Mund: Viel Frucht und viel Gewürz treffen auf intensive und frische Sherrynoten. Das ist für 46% fast schon überwältigend intensiv. Nasser Tabak an Zimtstangen, Kaffeelikör mit Zitruszesten.
Abgang: Die perfekt integrierte Sherryklaviatur verabschiedet sich mit einigem an Bitterstoffen. Zerriebene Kerne und Röstaromen von Kaffee und Brot. Gewürze und Früchte kommen auch nochmal hervor. Dazu kommt am Ende noch ein Hauch Tomatensaft und damit eine Süße.
Fazit: Eine mutige und gleichzeitig geniale Fassauswahl. Die Intensität der 1st Fill Fässer zusammen mit den reifen Bourbon Casks ergeben einen gut abgestimmte, komplexe und fordernde Abfüllung. Und ausnahmsweise, aber wirklich nur ausnahmsweise, dürstet ich mich zu keinem Zeitpunkt nach Fassstärke. 90/100
Orion I – 136° U.4.1′ 1967.1″ – Scotch Universe
Welche Destillerie in der Highland Region öffnete 1967? Genau Clynelish. Das ist unser Hinweis bei dieser Abfüllung aus dem Universum von Michel Reick. Passt auch ganz gut, wenn man den Zusammenhang zu Katzen herstellt. Das Band des Orion war die Galaxy die in Man in Black von einer Katze am Halsband durch die Gegend getragen wurde. Und eine Katze ist das Tier im Logo von Clynelish. Ok, zurück zu den Fakten: 52,4%, 11 Jahre und 4 Monate in einem Bordeaux Wine Barrique. Die Farbe ist übrigens dementsprechend mit einem Einschlag zu Pink. Link zur Whiskybase
Nase: Ein Kiesweg und Wachs, wie man es auch typisch erwarten würde. Dazu rote Beeren, vor allem Himbeeren und Tanine. Passt, alle erwarteten Aromen getroffen? Ja, nur leider ist das eher ein Kampf im Glas als eine Verbindung.
Mund: Die Noten des Weinfasses sind die meiste Zeit erdrückend. Nur mit viel Zeit und Ruhe kriege ich auch mal etwas Zitrus und Wachs ab. Die roten Beeren, teilweise stark vergoren und vanillig süße Aromen decken es die meiste Zeit zu. An manchen Stellen gibt es auch ein betäubendes Mundgefühl.
Abgang: Zu den roten Früchten gesellt sich jetzt noch ein Apfel dazu. Das Prickeln hinterlässt eher einen Eindruck von einem Rosé als von einem Roten. Trocken wird es allerdings eher wie bei letzteren Weinen üblich. Einige wenige Bitterstoffe mischen sich noch darunter.
Fazit: Ich bin hin und her gerissen. Ist es auf der einen Seite gelungen das Weinfass zu platzieren frage ich mich auf der anderen Seite ob das nicht auch eine geiles Bourbon Cask hätte sein können. Wenn man die Intensität des Fasses aber mag, dann kann man an dieser Abfüllung Freude haben. 86/100
Glengoyne 1998 – Malts of Scotland
Ein Glengoyne aus der Zeit, als man von MoS wirklich am laufenden Band richtig leckere Sherry-Goyne haben konnte. Dieser Vertreter war in einem Hogshead und erbrachte 160 Flaschen mit 52,7%. Abgefüllt wurde für die Finest Spirits Messe 2012 Link zur Whiskybase
Nase: Saure Früchte in einem Bett von Pflaumenmus. Trockene Luft in einem Antiquariat. Bücher, Leder, Pergament. Dadurch entsteht sogar der Eindruck von etwas Rauch. Dazu eine schwere und süße Sherrynote und richtig schöne Eichenwürze.
Mund: Tabak eingelegt in Sojasauce und Kräuterlikör. Auch wieder Leder. Die Sherryintensität nimmt nochmal zu und bringt jetzt Bitterstoffe. Dunkelst geröstete Kaffeebohnen und der Likör wird zum Bitter.
Abgang: Kirschschnapps mit Salzrand am Glas und Kaffeelikör im Wechsel. Dann darf der Sherry nochmal zurück. Zerriebene dunkle Beeren, vor allem Brombeeren. Dazu Schokolade mit Orangenzeste und Cointreau. Am Ende bleibt (ewig) der Kaffee.
Fazit: Preiset diese Abfüllungen, denn sie waren sehr sehr gut. Weinet, dass man sowas heute nur noch für teures Geld oder eher gar nicht mehr kriegt. Früher war alles… nein ich fang nicht damit an, sondern bin lieber froh davon getrunken zu haben. Für 80€ pro Flasche würde ich heute wahrscheinlich alle 160 nehmen 😉 90/100
Dornoch 2017 – Phil & Simon Thompson
Mit gerade mal rund 12000 Litern Ausstoß pro Jahr die wahrscheinlich kleinste, offizielle, aktive Whisky-Destillerie in Schottland. Das ist eines Attribute der hauseigenen Micro-Distillery der Thompson Brüder. Hier haben wir eine Abfüllung unter ihrem Indie-Label, wobei man das wahrscheinlich doch als Original Bottling bezeichnen kann. Die Abfüllung ist 4 Jahre alt und wurde in einem
1st fill ex Journeyman Bourbon Octave gelagert. Die 84 Flaschen haben 54,2%. Link zur Whiskybase
Nase: Birne und Pfeffer, Mangospalten, Kräuter, milder Rauch von Räucherstäbchen. Frische Eiche und Vanille. Möbelpolitur und Verdünner. Nach einiger Zeit werden die Kräuter vor allem Dill.
Mund: Auch hier wieder helle und gelbe Früchte. Diesmal eher getrocknet. Dann kommt auch wieder ein wenig Politur und gleichzeitig auch richtig viel Salz. Die Kräutrigkeit ist schlägt Richtung Süßholz.
Abgang: Nicht besonders lange bleibt er, das ist bei dieser Jugend wohl normal. Das Salz kriegt Zitrone zum Spielen, das passt ganz gut. Die Kräuter und Gewürze kriegen auch nochmal einen Auftritt. Dann wird es extrem trocken mit der Zeit.
Fazit: Mit viel Erfahrung kann man diesem Destillat die Jugend anmerken. Blind würde man aber vielleicht sagen: Oh, das ist spannend. Und auch anders. Und neu. Ich kann es noch nicht so gut festhalten, aber ich freue mich darauf in Zukunft mehr davon zu trinken. Mal sehen was eine längere Reifezeit daraus macht! 87/100
Zukunft…
… ist immer ungewiss. Dennoch hab ich heute etwas vielversprechendes im Glas gehabt. Obwohl ich andere Abfüllungen doch besser bewertet habe ist der Dornoch mein Highlight dieser Session. Ganz einfach alleine weil man die beiden Gewinner schon gar nicht mehr wirklich kriegt und die Destillerien und Abfüller andere Wege beschreiten. Doch hier sind bisher nur die ersten Schritte zu sehen. Eine extra Erwähnung im Fazit kriegt auch den Glen Garioch noch. Wenn auch aktuell vergriffen ist eine Standardabfüllung dieses Kalibers alle Ehren wert. Ich hoffe da kommt mal wieder was nach!
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Bilder: Eigene Anfertigung sowie freundliche Überlassung der Whiskybase und von Simple Sample
Samples: Eigene Flaschen sowie privat und offiziell gekauft
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