Oh, du fröhliche

Alle Jahre wieder, kommt sie: Diese Weihnachtszeit, von der es heißt, sie sei besinnlich. Und dann geht es los; die Suche nach den passenden Weihnachtsgeschenken; die Plätzchenbackversuche; die Hektik im Beruf, wenn Projekte noch bis Jahresende abgeschlossen werden müssen; die Jagd nach dem perfekten, toten Baum für’s Wohnzimmer; außerdem ist dann da noch unser liebster Ohrwurm von Wham!. Selbstverständlich ist es auch unsere eigene Entscheidung, ob und wie ausgiebig wir uns daran beteiligen. Und weil ich von Natur aus eher menschen- und kältescheu veranlagt bin, meide ich den Stress, wann immer möglich, mache es mir auf der Couch gemütlich mit Kuscheldecke und einer heißen Tasse Earl Grey – und schon wird ein Beitrag über schwarzen Tee daraus.

Naja. Fast. Mein Line-Up hat mich aber definitiv gewärmt.

Das Titelbild zeigt übrigens eine Auswahl der, wie ich finde, schönsten Weihnachtswhisky-Editionen der vergangenen Jahre. Wie zu erwarten, ist Big Peat stark vertreten. Nicht unerwähnt bleiben soll Maker’s Mark, welche sich fürsorglich darum kümmern, dass ihrem Whisky nicht friert.

Jean Fillioux Réserve Familiale

Ein Cognac aus dem Herzen der Charente – der Grande Champagne. Hergestellt vom Familienbetrieb Jean Fillioux aus der dort vorwiegend genutzten Weißweinsorte Ugni Blanc, sind die ältesten verwendeten Bestandteile dieses Cognacs bis zu 100 Jahre alt, die Jüngsten immerhin 50. Mit 40%Vol. kam er in die Flasche.

Nose: Aromen von saftigen Trauben, getrockneten Birnen und Aprikosen steigen auf, alles von schokoladigem Karamell umhüllt. Als nächstes kommen die Gewürze, viele davon – unter anderem Zimt, Wacholder, Nelke, Zirbe – welche zusammen mit den Haselnüssen ein sehr stimmiges Bild abgeben. Aber hier endet es nicht: Manukahonig, gelegentliche Trockenpflaumen und ein Hauch Leder erweitern die Palette. (91)

Taste: Es kommt alles sehr dicht und gleichzeitig daher: Das Trockenobst, die Gewürze, der Honig, die Nüsse und das Leder… was neu ist, sind Aromen nach Tabak, Vanille und Erdbeere. Schokoladige Tannine legen sich mit der Konsistenz von Sahne darüber. (90)

Finish: Süß und fruchtig, die Trockenfrüchte schwimmen förmlich in Honig. Würziges Eichenholz, Haselnüsse und Tabak übernehmen das Kommando und bleiben lange präsent. Die Tannine sind wieder da, halten sich aber weitestgehend im Hintergrund. (89)

Fazit: Wenn es um alten Cognac geht, fällt früher oder später oft das Stichwort ‚Rancio‘. Ich meine, dass man dieses besondere Aroma auch im Réserve Familiale von Fillioux findet. Aber unabhängig davon handelt es sich hier auf jeden Fall um einen hervorragenden Cognac. Was wohl mit ein paar Prozenten mehr möglich gewesen wäre?

Croix de Salles 1938

Wir bleiben in Frankreich, wechseln aber in die Gascogne, konkreter ins Anbaugebiet Bas Armagnac. Hier produziert die Familie Dartigalongue seit vielen Jahren Armagnac, so wie diesen 1988 abgefüllten Croix de Salles.

Nose: Rosinen und Backpflaumen baden in öliger Würze. Ein Klecks Butter zieht vorbei, wird aber bald von Käsekuchen mit Blaubeeren verdrängt. Zartbitterschokolade ist immer wieder mal da und gesellt sich zu den Früchten. (87)

Taste: Likörartig und mild, der Alkohol ist perfekt eingebunden. Trotzdem ist er gehaltvoll und sehr fruchtig mit Backpflaumen und Rosinensaft sowie Sauerkirschen. Feine Tannine und Gewürze machen auf sich aufmerksam, dazu Tabak und ein Hauch Leder. (88)

Finish: Würziges Eichenholz mit Zartbitterschokolade wird von der Frucht von Sauerkirsche und Trockenpflaume flankiert. Etwas Tabak und Leder laden zum Innehalten ein. (87)

Fazit: Ein sehr süßer und fruchtiger Armagnac, der fast schon zum Likör oder gar Sirup mutiert. Das geht vielleicht auch ein wenig zu Lasten der Komplexität, da hätte ich mir stellenweise schon mehr erhofft. Nichtsdestotrotz, er ist lecker und süffig.

Château de Laubade 1920

Noch ein alter Armagnac, nach Adam Ries ca. 69 Jahre alt, da in 1989 mit 40% Vol. abgefüllt. Das in der Region Bas Armagnac gelegene Château de Laubade existiert seit 1870 und ist mit seinen 105 Hektar Anbaufläche das größte Weingut der Armagnac. Destilliert wird heutzutage in der hauseigenen Pot Still, möglicherweise auch schon vor hundert Jahren.

Nose: Also hier stehen die Trockenfrüchte wirklich dicht an dicht; Rosinen, Pflaumen, Feigen, Aprikosen… nach einigem Warten wird es leicht buttrig. Generell ist dieser Weinbrand sehr gesetzt und ölig mit samtigen Gewürzen, Zartbitterschokolade und Tabak. (85)

Taste: Die Trockenpflaumen werden von kräftigem Eichenholz unterstützt, als sie dazu ansetzen, den gesamten Mundraum mit fruchtigen Noten auszufüllen. Zartbitterschokolade und nussige Gewürze machen mit, im Unterton findet sich noch etwas Tabak. (86)

Finish: Trocken und würzig, wie in einer Weihnachtsbäckerei. Bitterschokolade und nussiges Eichenholz sind wieder mit von der Partie. Das Trockenobst ist vergleichsweise dezent, aber langanhaltend und wurde wohl in Vanillesauce getunkt. (86)

Fazit: Passt perfekt in die Adventszeit. Leider etwas zurückhaltend und geradlinig, aber dennoch sehr gefällig.

John Haig Gold Label – Late King George V

43%Vol. / Link zur Whiskybase

Zur Abwechslung mal etwas, das höchstwahrscheinlich vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges in die Flasche kam. Ein Blend von John Haig & Co. Ltd., einem Unternehmen, welches bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert untrennbar mit schottischem Whisky in Verbindung steht. Auf dem Etikett steht in kleinen Lettern „BY APPOINTMENT TO THE LATE KING GEORGE V“, welcher am 20.01.1936 verstorben ist. Eine kurze Recherche über königliche Hoflieferanten hat mich zu der Information geführt, dass der Hoflieferantentitel noch bis zwei Jahre nach dem Tod des Würdengebers verwendet werden darf (Quelle: https://www.royalwarrant.org/content/frequently-asked-questions). Gesetzt, dies galt schon damals, errechnet sich 1936 oder 1937 als Jahr der Abfüllung.

Nose: Immer wieder erstaunlich, wie staubig eine Flüssigkeit wirken kann. Und fruchtig-süß zugleich, es kommen einem schon ein paar Rosinen, Datteln und Aprikosen in wachsigem Honig entgegen. Frisch gebackenes Brot ist hier eigentlich immer zu finden, akzentuierte Eichenholzwürze betont die lange Flaschenreife. Nach einiger Zeit verwandelt sich der Staub in milden Rauch, es wird ölig, salzig und rostig. Anklänge von Luftballon, Nuss und Erde für die Kurzweil. (89)

Taste: Wachsig mit einem Hauch von gelben Früchten kombiniert mit Salz und würzigem Eichenholz. Eine Gratwanderung zwischen staubig und rauchig, ölige Süße darf nicht fehlen. Zartbitterschokolade matcht mit Gerstenmalz, Leder mit Nüssen. Alle sind zufrieden. (91)

Finish: Holy Moly, hier konzentriert sich alles nochmal und alle bisherigen Aromen prasseln auf einen ein. Besonders nachhaltig bleiben das grasige Eichenholz und das verstaubte Gerstenmalz in Erinnerung. Trockene Glut winkt zum Abschied. (90)

Fazit: So muss wohl rauchiger Clynelish schmecken. Nach 85 Jahren in der Flasche halt. Wobei der Old Bottle Flavor keineswegs zu intensiv war. Immer wieder ein Privileg, so besondere Sachen probieren zu dürfen, vor allem wenn sie sich als so schmackhaft, reif und fast flawless entpuppen. Kräftig genug, um als Single Malt durchzugehen.

Glen Grant 1936 GM Licensed Bottle

Eichenfass 1936 bis in die 80er / 40%Vol. / Link zur Whiskybase

Ein alter Speysider, gebottled von Gordon & MacPhail vermutlich irgendwann in den 80ern. Ein Sample war für mich nur deshalb erschwinglich, weil der Füllstand der Originalflasche schon beträchtlich gesunken war.

Nose: Hochwertiger Sherry, welcher gut eingebunden und maßvoll mit Nüssen und blumigen Trockenfrüchten um sich wirft. Fudge und Vanille stehen gleich hinten an und leiten in eine Welt voller Wachs und sanftwürzigem Eichenholz über. Dann werden Zartbitterschokolade, Orangen und Apfelringe serviert, garniert mit einem Hauch Öl. (90)

Taste: Auch hier merkt man den Sherryeinfluss, doch es sind weniger die Trockenfrüchte, mehr das Fassholz mit seinen Gewürzen und der Zartbitterschokolade, welches tonangebend ist. Ledrig-herbe und ölige Akzente spielen mit rein, bevor vegetative Noten von Fenchel und Tabak aufploppen. Und dann kommen doch noch fruchtige Momente – gelb und tropisch mit einer dünnen Wachsschicht überzogen. (88)

Finish: Trockenes Eichenholz mit einer Vielzahl an Gewürzen und grasigen Tönen gehen Hand in Hand mit Halbbitterschokolade. Vom Sherry bleiben hauptsächlich alte Nüsse übrig; Leder und Tabak passen da gut ins Bild, die Wachsaromen ziehen sich noch sehr lange hin. (89)

Fazit: Überraschend druckvoll nach all den Jahren und trotz der Verdünnung. Nicht der klassische Altherrenwhisky, aber doch mit Elementen davon. Der Rest will entdeckt werden, was natürlich Spaß macht. Ob das Leck jetzt tatsächlich Auswirkungen auf den Geschmack hatte, sei dahingestellt, das Erlebnis war nicht überragend, wie die Bewertungen in der Base es erhoffen lassen, aber definitiv war es ein Erlebnis, welches mich glücklich und zufrieden auf der Couch hinterlässt.

Das war jetzt flüssige Geschichte, irgendwie. Schon faszinierend, wenn man zurückdenkt, wie anders die Welt war, als diese Drinks ihren Anfang nahmen. Die Zeit vergeht so schnell.

In diesem Sinne wünsche ich allen Mitmenschen viel Liebe, Glück und Gesundheit.

Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung von Mike, Robin und der Whiskybase