Old & Rare Flight 010 – Denn sie wissen nicht was sie trinken
Um genau zu sein wusste nur ich nicht was ich trinke. Christian hatte scheinbar so Spaß an seinem Geburtstagsblindtasting, das er sich direkt revanchiert hat. Ich löse aber gleich auf was ich jeweils verkosten durfte, das Ratespiel hab ich nicht dokumentiert. Ich war zu sehr mit dem Aufschrieb dieses Wahnsinns beschäftigt.
Glenfarclas 1972
Ein Small Batch Glenfarclas gebrannt in den 70ern. 1200 Flaschen dieses 43%er gab es. Abgefüllt wurde er 1997. Über die Fässer habe ich nichts gefunden. Link zur Whiskybase
Nase: Viele Blumen und Sherry, Vanille und Kokos, mit der Zeit Pflaume. Da klingen schon ein paar Sherryfässer durch. So richtig den Finger auf eine Destille kann ich da aber nicht
Mund: Vergorene Früchte, Bitterstoffe und etwas Käse. Das klingt jetzt vielleicht schräg, ist aber gar nichtmal schlecht. Zu Käse isst man ja durchaus auch Fruchtgelee und dergleichen. Passt also irgendwie schon.
Abgang: Salzig, trocken und leider ganz leicht seifig. Dazu helle Früchte und ein schönes Prickeln. Auch: Kaffee.
Fazit: Irgendwie nicht ganz das was zu erwarten wäre, bei den Bewertungen in der Base. Schön sowas blind zu trinken, denn wer weiß wir der Bias wäre, wenn ich gewusst hätte was das ist. 88/100
Glen Grant 45-year-old Gordon & MacPhail
Als wenn es nicht genug wäre, dass dieses Bottling 45 Jahre alt ist. Es ist noch dazu auch vor 40 Jahren abgefüllt worden! Ein Licenesed Bottling von Gordon & MacPhail aus den 30 bzw. 40er Jahren. Also Poe-War oder In-War destilliert. Unglaublich. 40% hat es und mehr weiß man nicht. Link zur Whiskybase
Nase: Während der eine von Seifenwasser und Klosteinen spricht versucht der andere die Frucht zu erkennen. Mit der Zeit wird es etwas klarer. Ich würde Orange benennen. Vanille, Mango, Ananas,
Mund: Etwas Salz, ein Tarteboden. Da kommt irgendwas mit Vanille rein. Auch Apfel und Apfelblüten ist präsent. Die über 40 Jahre im Fass werden mit Eiche deutlich. Er ist aber keineswegs holzig.
Abgang: Sehr verhalten, da ist irgendwas, man weiß nicht genau. Milchkaffee, ein Metalllöffel im Mund, Schokolade etwas Getreide auch. Extrem trocken mit der Zeit. Dann kommen auch noch alte Ledereinbände und irgendwann ein ganzes Antiquariat.
Fazit: Geiler alter Scheiß, die Frage ist: Was hätte der vor über 40 Jahre gekonnt? 87/100
Glenlivet 1956 Gordon & MacPhail
Scheinbar habe ich mbei Christian wirklich einen Nerv getroffen mit meinen leicht verrückten Bottlings die ich ihm vorgesetzt. Er hat da noch zwei Level draufgelegt. Ein Glenlivet gebrannt 1956 und in einem Dekantier abgefüllt. Handgeschriebenes Label und 40% Link zur Whiskybase
Nase: Ich hatte ja ein wenig Sorge, dass so ein Dekanter wirklich lange dicht hält, aber da ist schöner Sherry, milder Tabak, Bücher, Leder. Auch leicht säuerlich kommt er daher und mit Möbelpolitur.
Mund: Leichte Vanillenoten und Gebäck gehen über zu einem Sherryeinfluss. Dann ein wenig Nuss, Salz und Orangen.
Abgang: Damit geht es dann auch weiter. Vor allem Orange, schön trocken, gute Länge. Es kommt aber auch ein wenig Kirsch hinterher.
Fazit: Sehr lecker und beeindruckend für 40% und die Angst vor dem Dekantier scheint unbegründet.. 89/100
Tamnavulin 1966 Moon Import
Es reißt nicht ab. Zur Abwechslung mal nur ein Moon Import. Haha… 45%, 2400 Flaschen und aus der The Birds Serie. 1966 bis 1988 verbrachte er in Oak Casks. Link zur Whiskybase
Nase: Es beginnt mit Rosenblüten und einer Packung losem Früchtetee. Dann kommt Kalk und irgendwas Kandiertes. Vielleicht etwas Marzipan. Dazu saftiges Gras.
Mund: Malzig und salzig geht es im Mundraum weiter. Dazu kommt ein Biss in eine Zitronenschreibe. Dann ist da etwas Apfel und jede Menge Milchschokolade.
Abgang: Fruchtig und trocken geht es hinten raus. Die Milchschokolade wird ein Milchkaffee mit Vanillesirup und Salzrand.
Fazit: Lovely. Mein erster Tamnavullin. Sind die alles so? 😀 89/100 Auch spannend: Frisch aus dem Sample eingeschenkt war er sehr lebhaft und ausdrucksstark. Nach ca. 30 Minuten im Glas wurde es dann doch eher flach und stumpfer.
Glenrothes 1979 Douglas Laing
Jetzt wird’s aber normaler. Ein Glenrothes von Douglas Laing. Ach ne doch nicht: Platinum Series aus den 1970ern und colaschwarz. Genauso verrückt also. 51,9%, 235 Flaschen, 25 Jahre im Fass (offensichtlich kein Bourbon). Link zur Whiskybase
Nase: 90% Schokolade, die drei Tage an der Luft lag und langsam schon weiße Ränder kriegt. Dazu Maggi und ultra trockener Sherry.
Mund: Schön süß und sherrylastig, eine Zeit lang Kreisen lassen, dann kommen Bleistiftspäne und etwas Holz nach.
Abgang: Sehr trocken, mit Rosinen und Tabak endet es dann leicht säuerlich.
Fazit: Das Maggikraut hat mich auf die falsche Fährte gelenkt. Da war ich bei Mortlach. Ein Glenrothes… nun da haben die Sherrycasks ja auch Tradition. Das hier war recht lecker! 89/100
Glendronach 1972
Finale. Ein Glendronach aus dem Oloroso Sherry Butt. 40 Jahre im Fass. Dabei blieb er 49% stark und es wurde noch 356 Flaschen abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Schwarzkirschen, dunkle Sojasauce, Sherry, Holz, Leder, Tabak, Schwarzbeeren. Ach du meine Güte. Ist das eine fullterm Reifung. Das ist ja irre.
Mund: Auch hier ist die Sojasauce unglaublich präsent. 2:1 gemischt mit Worcestersauce. Dazu Wachs und überreife Brombeeren.
Abgang: Krasse Bitterstoffe, Amaro, Bitter, auch wieder Sojasauce. Dunkle Schokolade und auch noch Kaffee und Leder.
Fazit: Die Geschmackswelt im Mund gerät vollständig aus der Balance. Das ist weit weg von Whisky und dabei dennoch verrückt gut. Schwierig sowas ernsthaft zu bewerten, vergleichbar ist da leider nichts. Mir ist zumindest noch nichts untergekommen. 91/100
Was ich sah und was nicht
Beim Alkohol und beim ungefähren Alter war ich gar nicht mal schlecht. Bei den Destillerien … nicht ganz so. Was ich aber generell nicht kommen sah ist dieses Tasting. Ich bin immer noch überwältig. Christian, du bist irre. Es war auf jeden Fall ein riesiger Spaß und ich bin unendlich dankbar für diese epische Session!
Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase | Samples: Privat gekauft
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