Evolution of… Lagavulin
Der 16-jährige Lagavulin hat damals den Stein ins Rollen gebracht, aus dem dann meine Affinität zu Single Malt geworden ist. War dann auch eine der ersten Flaschen in meinem Whisky-Regal und aufgrund des guten PLVs konnte ich in den letzten Jahren bedenkenlos einen weiten Bogen um andere Standards aus diesem Hause mit weniger guter Reputation machen. Im Zuge von Flaschenteilungen haben es dann doch ein paar als Beifang zu mir geschafft. Bei der Gelegenheit dürfen dann auch zwei nicht ganz alltägliche Abfüllungen „dran glauben“.
Lagavulin 8 Years
Eichenfässer bis 16.01.2019 / 48,0%Vol. / Link zur Whiskybase
Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, aber es sind dann doch schon fünf Jahre, seitdem die Standardrange von Lagavulin um eine 8-jährige Version erweitert worden ist. 2016 war das, zum 200-jährigen Brennereijubiläum. Mein Sample stammt aus einem Batch, das in 2019 abgefüllt wurde. Halbe Reifezeit bei ungefähr gleichem Preis, da würde ich eigentlich zu jeder Zeit zum Laga 16y greifen…
Nose: Die Begrüßung übernehmen süße Vanille und Gummibärchen mit Bananengeschmack. Danach werden die Früchte mutiger, Birne und gelbe Zitrusnoten werden gelegentlich von getrockneten Aprikosen flankiert. Dabei bleibt die Stimmung stets ölig (Butter & Diesel!) und salzig, mineralisch und nussig-würzig. Hab ich was vergessen? Ach ja, die rußige Asche. (85)
Taste: Sehr gelb mit Vanille, Zitrus und hellem Eichenholz. Viel kalte Asche wurde ausgestreut, die ölig-salzige Stimmung findet man auch hier, ebenso die Gewürze. Nach den ersten Eindrücken merkt man aber, wie jung der noch ist. (82)
Finish: Als würde man in ein verkohltes Lagerfeuerscheit beißen. Asche pur, Eichenholz und Spuren von Schwefel. Salz, Salz, Salz… (81)
Fazit: Einer dieser Malt, die ich lieber schnüffle, als trinke. Gerade die Nase vermittelt ganz gut, wohin die Reise geht, und worauf man sich mit fortgeschrittener Reife freuen kann. Der Rest ist eher was für eingefleischte Fans von Asche-in-your-face.
Lagavulin 10 Years
Rejevenated & Bourbon Casks bis 12.04.2019 / 43,0%Vol. / Link zur Whiskybase
Packen wir zwei Jahre drauf. Da dieser 10-jährige Standard für den Travel Retail bestimmt ist, mache ich mich auf was gefasst…
Nose: Dick Vanille, dicht Asche und zart Zitrus. Dann setzt das Maritime ein und bringt eine crazy Mischung aus Salz, Diesel, feuchtem Fels und Wachs. Der Rest bleibt wirklich delikat, etwas Banane, etwas Süße. (82)
Taste: Kommt geradlinig hervor mit der Konsistenz von flüssigem Honig, in den kräftige, prickelnde Rauchpartikel gestreuselt worden sind. Das Salz lässt sich nicht bitten, hat Vanille und Würze vom Eichenholz im Gepäck. Leicht glimmende Lagerfeuerasche und Diesel (bitte nicht zuhause nachmachen) liegen in der Luft. (77)
Finish: Heu, Gras und Salz auf einem Bett aus schwefeliger Asche. Wird mit der Zeit richtig rußig. (75)
Fazit: Hier das selbe Spiel, während man der Nase noch etwas abgewinnen kann, folgt, wohl auch bedingt durch den niedrigen Alkoholgehalt, eine schwächliche und lustlose Enttäuschung. Quo vadis, Lagavulin?
Lagavulin 12 Years Special Release 2019
American Hogsheads / 56,5%Vol. / Link zur Whiskybase
Ein paar Eisen hab ich noch im Feuer, vielleicht kann mich die zusätzliche Reifezeit eines 12-jährigen Special Releases – in diesem Fall die 2019er Version – positiver stimmen. Über sechzigtausend Flaschen wurden weltweit verteilt, in Deutschland ist er mittlerweile auch nicht mehr an jeder Ecke erhältlich.
Nose: Der hat einiges vom Holz abbekommen und ist daher recht würzig. Nicht kräftig, sondern samtig und staubig, wie man es von deutlich älteren Malts kennt. Mineralisch, wie beim Steinmetz in der Werkstatt. Salzig, wie in der Nähe eines Gradierwerks. Nussschokolade. Banane, Birne und Rosinen werden von einer sirupartigen Süße getragen. Die typischen Zitrus- und rußigen Aschenoten zeigen sich gelegentlich, passen aber nicht mit dem Rest zusammen. (88)
Taste: Teer, Ruß und Asche. Steinstaub. Gemahlene Gewürze fliegen durch die Luft. Salzige Meeresgischt tut es ihnen gleich. Harzige Kiefernnadeln werden geröstet. Und immer ist da diese sirupartige Süße mit von der Partie. (85)
Finish: Der Alkohol hat ganz schön gedrückt und jetzt kann sich der Mundraum allmählich entspannen. Feine Lagerfeuerasche und kalte Holzkohle schmiegen sich erdig und leicht schwefelig an den Gaumen. Metallische und salzige Akzente vermischen sich mit samtigen Mineralien und Gewürzen. (85)
Fazit: Fast schon eine Wohltat im Vergleich zu den ersten beiden. Auf dem Niveau eines besseren Uigeadail aus den letzten paar Jahren. Der Alkohol ist schon ganz schön offensiv, aber wenn man verdünnt, kann es bitter werden.
Lagavulin 2002 The Distillers Edition
Finish in PX Sherry Casks bis 23.08.2018 / 43,0%Vol. / Link zur Whiskybase
Die Distillers Edition von Lagavulin: Der ganz normale Standard 16er, nur verfeinert mit ein wenig pappsüßem Pedro Ximénez? Anhand der 2018er Version schau ich mal, ob’s so einfach ist.
Nose: Süß mit vielen verschiedenen Trockenfrüchten, besonders Zwetschgen und rote Beeren kommen heraus. Bananen schlagen den Spannungsbogen hin zu Karamell und Nüssen. Das es sich um einen Lagavulin handelt wird nur vom Salz und reifen Orangennoten angedeutet, denn Asche finde ich nur rudimentär. Eine ölige Mischung aus Gewürzen, Honig und Tabak verleiht dem Dram den Eindruck von Alter und Ehrwürdigkeit. (89)
Taste: Geschmeidig wie flüssiger Honig, glühende Asche und verbrannte Kräuter tun dem keinen Abbruch. Ordentlich Salz und speckiges Leder erzeugen dreckige Strukturen. Das Eichenholz sorgt für nussige Gewürze und bittere Schokolade. Die Zitrusnoten und die Sherryeinflüsse halten sich eher zurück. (85)
Finish: Salz passt gut zu Orange, richtig? Die glühende Asche kommt mit einem grasigen Touch daher. Trockenes Eichenholz und milder Pfeffer führen sanft in die weite Welt der Gewürze ein. (87)
Fazit: Gleich vorneweg: Was mir gar nicht gefallen hat, war das lasche, wässrige Gefühl im Mund. Die Aromen waren da, nur eben nicht mit Elan. Ein paar Prozente mehr wären geil. Nicht falsch verstehen, schmecken tut er. Aber der direkte Vergleich mit dem 16-Jährigen – hatte grad eine 2013 gebottlete Version zur Hand – zeigt, wie ausgewogen und reif, samtig und kräftig zugleich ein Lagavulin wirklich sein kann. Master Blender bin ich nicht, aber es wär‘ schon verlockend, die Fässer, die sich während der Reifezeit nicht zufriedenstellend entwickeln, mit einem Schuss Traubensaft aufzuhübschen. Ach? Darum werden Finishes überhaupt gemacht!? Klappt halt nicht immer…
Lagavulin Islay Jazz Festival 2011 Cask 355
Bodega Sherry Cask 18yrs seit 08.02.1993 / 55,4%Vol. / Link zur Whiskybase
Nun eine Sherry-Vollreifung. Genauso, wie es jährliche Feis Ile-Abfüllungen gibt, bringt Lagavulin seit 2011 auch im Namen des Islay Jazz Festival jedes Jahr eine neue Spezialität für die Genießer und Sammler heraus. Im Jahr 2011 betrug die Auflage 576 Flaschen, welche ein einzelnes Fass nach 18 Jahren noch ergab.
Nose: Von Beginn an spürt man: Hier passt der Sherry absolut dazu, er ist Teil dieses Whiskys geworden. Richtig reife (Trocken-)Frucht steuert er bei, allem voran Pflaumensirup, der Rest vielfältig und tendenziell eher gelb-orange als dunkelrot. Ein Hauch von Asche und Salz kündigt Räucherschinken an. Es gibt doch diese Mokkabohnen aus Schokolade – die sind da drin! Haselnüsse, gemahlener Zimt und andere weihnachtliche Gewürze baden in flüssigem Honig. (92)
Taste: Sherry, Asche und Eichenholz sind so eng verwoben, dass es eine wahre Freude ist. Dieser Malt wirkt locker zehn Jahre älter, extrem samtige Gewürze sorgen dafür. Wellen von Honig, Mokka und Tabak rollen über die Zunge, Pflaumensirup und Salz surfen darauf. Nüsse und Möbelpolitur fungieren als Verbindung zwischen einzelnen Aromen. (92)
Finish: Glühende Asche wird anfangs von flüssiger Zartbitterschokolade begleitet, dann übernehmen jedoch Salz und sanft würziges Eichenholz. Sherry und Honig geben sich etwas zurückhaltend, vereinzelte Nüsse runden das Gesamtbild ab, übrig bleiben erdige Eindrücke. (90)
Fazit: Beeindruckend anders. Alles ist aufeinander abgestimmt und ausgewogen, trotzdem ist er wild und kräftig, wie ein Islay-Malt es sein soll. So stelle ich mir Lagavulin vor.
Lagavulin 30 Years Special Release 2006
Eichenfässer 1976 bis 2006 / 52,6%Vol. / Link zur Whiskybase
Mit einem drei Jahrzehnte alten Special Release endet meine Lagavulin-Reise für diese Woche. Wohl dem, der in 2006 zum Ausgabepreis shoppen konnte.
Nose: Geräucherter Schinken und gesalzenes Karamell werden auf einem Aschebett präsentiert. Samtwürziges Eichenholz weist auf eine hervorragende Qualität der verwendeten Fässer hin. Klebrig und süße Trockenfrüchte tummeln sich, besonders Pflaumensirup und Apfelringe springen einem vor’s Korn. Verschiedenste Sorten von Nüssen werden flankiert von Honig und Tabak. Mit der Zeit werden die Früchte gelber und tropisch. (92)
Taste: Was mit harmonischen Gewürzen beginnt, geht in dreckige Asche und Salzlake über. Die Nüsse sind wieder da, das Eichenholz ist mir einige Nuancen zu bitter, trotz der beschwichtigenden Kakao- und Espressonoten. Honig und Grapefruit haben ihre Auftritte, in Ansätzen auch die gelben und getrockneten Früchte. (88)
Finish: Salzig und leicht mineralisch, aber auch sehr dreckig mit Unmengen an Asche. Leder legt sich an rohes Eichenholz, Zimt und andere Gewürze prickeln auf der Zunge. Die Süße von Karamell und Frucht schafft es kaum, sich durchzukämpfen. (88)
Fazit: Das war mir stellenweise ein bisschen zu aschig und grob für einen 30-Jährigen, auch in Sachen Komplexität hat mir noch die eine oder andere Schicht gefehlt. Der hatte jetzt tatsächlich einen schweren Stand gegen die Jazz Festival-Edition. Gut zu trinken ist er aber allemal.
Die beiden ganz Jungen würd‘ ich ganz gern ganz schnell vergessen. Aber es scheint, dass Lagavulin ab 12 Jahren Reifezeit eine solide Bank ist und herbe Enttäuschungen ausbleiben. In einer Zeit, in der die Nachfrage rasant steigt und die Produktion aufgrund gewisser Faktoren nicht so recht mithalten kann, bin ich gespannt, wie sich die Qualität der Marke entwickeln wird. Zuversichtlich bin ich allerdings nicht.
Samples privat gekauft | Bilder eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase
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