Ein Beutel voll Tobermory (oder Ledaig)
Die Brennerei Tobermory liegt auf der Insel Mull im gleichnamigen Städtchen. Wobei die Reihenfolge vermutlich umgekehrt war. Die Brennereigeschichte ist sicherlich turbulent. Es sind auch schon wirklich viele Jahre seit der Gründung Ende des 18. Jahrhunderts vergangen. Auf und zu, getorft oder auch nicht. Heute darf ich vier Vertreter der getorften Variante „Ledaig“ reviewen. Drei eher aktuelle Bottlings und einen Veteranen aus der „goldenen Zeit“: 1972-74. Allesamt sind unabhängig abgefüllt.
Ledaig 2009 Chapter 7
Wie schon im entsprechenden Beitrag angekündigt: Im aktuellen Outturn des unabhängigen Abfüllers Chapter 7 sind auch noch zwei Ledaig gewesen. Diese finden hier ihr Review. Als erstes der 10-jährige aus dem Bourbon Hogshead mit 51,0%. 351 Flaschen gibt es davon insgesamt. Link zur Whiskybase
Nase: Jung. Da riecht noch New Make durch. Apfel, dazu süßes Malz und deutlich torfig. Bin mir jetzt nicht sicher ob ich das so gut find. Es ist eher anstrengend.
Mund: Richtig stoffig und zähflüssig, sehr süß und etwas säuerlich. Künstliche Zitrusnoten. Irgendwas pflanzenmässiges. Oder Dünger?
Abgang: Künstliche Noten, Torf ohne Ende, Bitterstoffe, eher kurz. Es ist wirklich ein herrausfordernder Whisky. Um es mal nett zu sagen.
Fazit: Ja geht schon. Das Review klingt vielleicht teilweise schlimmer als er ist. Kann man trinken. Irgendwo am Lagerfeuer nach drei Bier macht der sicher Spaß. Sonst muss ich aber nicht unbedingt mehr davon haben. 81/100
Ledaig 2009 The Whisky Kingdom
Dieser Ledaig stammt aus dem selben Jahr, hat es aber knappt geschafft die elf vollen Jahre Reifung zu erreichen. Auch hier ein Bourbon Hogshead, abgefüllt von The Whisky Kingdom aus München für den Club Wu Dram Clan. Die 279 Flaschen haben 54,4%. Link zur Whiskybase
Nase: Vanille, Pfeffer und Chili. Dann kommt Karamell und Toffee. Dann kommt die Flut… Äh ich meine dann kommt Seewasser, Salz, Seetang. Irgendwo dazwischen haben wir dann noch Torf und Rauch.
Mund: Erdig mit Laub und trockenen Ästen. Wie wenn es einen im Wald so richtig schön auf die Fresse gelegt hat. Dann wird es süß mit Honig und einer Spur Diesel und Gummi.
Abgang: Fruchtig (vor allem Apfel) und würzig. Süß und angenehm aschig und rauchig. Er hat auffallend wenig Bitterstoffe im Abgang. In diesem Fall nichts Schlechtes. Das geht wirklich voll in Ordnung so.
Fazit: Jung: Ja. Lecker: Auch ja. Ziemlich ungestüm und damit kann er deutlich punkten. Er hat dabei aber keine kaputten oder falschen Noten. So kann er auch gut punkten. 87/100
Ledaig 1995 Chapter 7
Und hier der zweite Chapter 7. Diesmal 24 Jahre im Bourbon Hogshead und mit 51,6% in 242 Flaschen abgefüllt. Der Abfüller selbst schreibt, dass sie dieses Fass sehr überrascht hat. Mal sehen wie es mir dabei geht. Link zur Whiskybase
Nase: Zitrone und Apfel. Zeste und Schale. Jogurth und Skyr. Salzig und dampfig. Leicht rauchig?! Das ist ein spannendes Profil.
Mund: Seeeehr viel Salz und wieder total viele Zitronen. Aprikosen finde ich auch. Der hat ein gutes Volumen und ich mag Salzzitronen.
Abgang: Trockene, nussige und auch (positiv) holzige Noten. Erneut frische Äpfel und deutlich salzig. Salzige Toffees.
Fazit: Irgendwie kein Ledaig. Den Grund oder die Vermutung dafür und noch eniges an Wissenswertem findet ihr hier bei Matt „The Dramble“ McKay Ich fand den auf jeden Fall sehr schön. Nehm ich auch ein zweites Glas. Dann aber bitte mit etwas zum Essen dazu. Für mich war der sehr appetitanregend. 87/100
Ledaig 1972 Gordon & MacPhail
Die Connoisseurs Choice Reihe von Gordon & MacPhail hat mittlerweile verschiedene Phasen hinter sich. Eine der berühmtesten dürfte die der „Brown Labels“ sein. Die Abfüllungen aus dieser längst vergangenen Zeit sind heute legendär, obwohl sie in Trinkstärke abgefüllt wurden. Genauso wie dieser Ledaig. 10 Jahre alt, 40%. Schockierend. Link zur Whiskybase
Nase: Frische, fruchtige Nase mit einigen Äpfeln, Limette und auch Melone. Dazu alte Bücher, Möbelpolitur und Kerzenwachs. Eine feine Torffahne untermalt das ganze und bindet es zusammen. Süße aber auch pfeffrige Noten kommen dazu.
Mund: Wieder Früchte, vor allem Zitrusfrüchte. Dazu wieder die Politur. Esspappier Vanillegeschmack. Torf und Rauch sind extrem gut eingebunden.
Abgang: Fein und relativ dezent. Wachsig, Instant Zitronentee. Wieder eine feine Torf und Rauchnote. Spät dann noch Äpfel und er wird ganz schön trocken.
Fazit: Lecker, teilweise etwas fragil. Die Trinkstärke lässt grüßen. Dennoch ich würde auch heute diesen 40%er über viele der fassstarken Bottlings nehmen. 88/100
Gesamtfazit
Das war eine interessante Erfahrung. Natürlich sind die Erwartungen bezüglich des 1972er vielleicht überhöht gewesen. Aus den berühmtesten Jahren der Destilliere und dann noch ein „Brown Label“. Ich würde jetzt nicht sagen das er enttäuscht hat. Aber ich will ihn auch nicht wegen der Rahmendaten überhöhen.
Der Wu Dram war dem Erlebnis nach schon relativ nah dran und die Überraschung des ungetorften Ledaig war auch nicht verkehrt. Einzig der junge Chapter 7 war eher nicht so mein Fall.
Bilder: Eigene Anfertigung | Samples: Originalsamples beim Händler gekauft und privat gekauft
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