Old & Rare Flight 001
Da Limburg dieses Jahr ausfiel, haben Christian und ich die Verkostung einfach nach Digitalien verlegt. Die Sammlung an Samples von alten und raren Abfüllungen wurde konsultiert, geteilt und dann online gemeinsam verkostet. Es fehlt natürlich die Atmosphäre der Messe und das Gespräch mit den Standbetreibern. An exzellenten Whiskys mangelte es uns nicht.
Longmorn 1969 Gordon & MacPhail
Eine uralte Flasche Longmorn, die Christian einer Sammlungsauflösung entlocken konnte. Bei der Teilung damals hab ich mich nicht mit dran gehängt, Longmorn ist nicht mein erstes Ziel. Christian fand ich sollte ihn doch mal lieber probieren. Na dann ist das ja die Gelegenheit. Zwei Fässer, 23 Jahre, 61,2%, Gordon & MacPhail. Das sind die Fakten. Link zur Whiskybase
Nase: Mandarine weht mir entgegen. Dann wird ein Badezusatz frisch in heißes Wasser geschüttet. Menthol steigt auf.
Mund: Wärmend und süß/sauer mit einigen Kräuternoten, Cashews und Pfeffer.
Abgang: Weiterhin wärmend und süß. Nimm2 Orange verbindet sich mit Verbene. Wieder kommt Pfeffer dazu.
Fazit: Insgesamt schwer zu greifen. Gut gereift aber doch eher ein Trinkwhisky? Dafür sind aber dann doch zu spezielle Noten dabei. Ich bin mir uneins. Grundsätzlich aber hatte Christian recht. Es hat sich gelohnt ihn zu probieren. 87/100
Bruichladdich 1964 Gordon & MacPhail
Vor zwei Jahren habe ich auf den Whiskymessen die Laddi aus den 60er Jahren lieben gelernt. Vergangenes Jahr in Limburg habe ich Christian angesteckt. Seitdem ist er auf der Jagd. Diese Abfüllung ist aus der gleichen Serie wie der Longmorn oben, die man als Small Batch bezeichnen könnte. Mit 50,6% wurde er aus drei Fässern kreiert und nach 28 Jahren abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Orangenblüten und Vanille. Ganz kurz Bleistiftspäne, die kann man aber abwarten. Dann kommen Kirschen und Himbeeren. Die roten Früchte. Hm… Auch vertreten sind Leder und alte Bücher. Dazu Honig und Banane. Hm…
Mund: Ein leichtes Zwicken geht über in etwas Pfeffer und Salz. Dann tropische Früchte und Anklänge eines richtig guten Rum. Erdbeeren sind auch da. Eine leicht bittere Note begleitet den Weg durch den Mundraum.
Abgang: Sofort ist erstmal Banane präsent. Dann ein frisch gebackener Gugelhupf. Beträufelt mit Kirschwasser. Ein paar Gewürze kommen hoch. Chai Tee? Oder doch Weihnachten? Aber auf jeden Fall super.
Fazit: Fantastisch. Ich war sehr froh, dass ich von dem etwas mehr als 2cl hatte. Der hätte Potential für 93-95 gehabt, aber im Mund ist er nur sehr gut, nicht perfekt. 91/100
Bunnahabhain 1976 The Whisky Agency Liquid Library
Das ist natürlich jetzt fies. Direkt nach diesem Brecher kann man ja nur verlieren. Da muss schon ein Brett her. Die Abfüllungen von The Whisky Exchange haben vielleicht das Zeug dazu. Ein 1976er Bunnahabhain aus der Liquid Library Serie. 32 Jahre im Bourbon Fass mit 45,8% abgefüllt. Link zur Whiskybase
Nase: Helle Gartenfrüchte, Honig, Blumen, Pfirsich, Vanille, ganz entfernt der Rauch von Vanillezigarillos
Mund: Weich und rund schmiegt er sich im Mund herum. Wieder helle Früchte und Honig, ein paar Gewürze dazu.
Abgang: Grüne Trauben, feine Bitterstoffe, etwas Honig weiterhin. Er wird immer trockener. Ein schöner Abschluss.
Fazit: Relativ trinkig und gut gereift kommt dieser Bunna daher. Das Fass ist nicht zu dominant. Bei dem Alter keine Selbstverständlichkeit. Er ist aber kein Überflieger. Ein exzellenter Zwischengang ist er aber sicherlich. 88/100
Lagavulin 1978 Kingsbury
So, nach diesem ruhigeren Gesellen gehen wir in die Vollen. Aus Fass 132 der Lagavulin Destillerie hat Kingsbury diese Abfüllung gewonnen. Mit 64,7% ist er wahrscheinlich alles andere als leise. Der unabhängige Abfüller hat einige legendäre Abfüllungen auf dem Konto. Die heutigen gehen hauptsächlich nach Japan. Leider. Link zur Whiskybase
Nase: Der geniale Duft von Salzzitronen steigt auf. Er wird gekontert von einem trockenen, festgetretener Boden und sehr dezentem Rauch und Torf.
Mund: Etwas Pfeffer, süß und warm und rund. Total geschmeidig würde ich eher sagen. Dann stehe ich plötzlich am Meer. Torfrauch steigt auf. Jemand fertigt eine Kohlezeichnung auf altem Papier an.
Abgang: Er startet mit einer Bitternote. Dann kommen Nüsse. Er wird salzig, aber er ist immer noch sehr rund. Mit Wasser wird er immer zitroniger und hält ewig.
Fazit: Fantastisch. Laga wäre nicht sofort mein Tipp gewesen. Unglaublich rund und für diesen Alkoholgehalt gerade zu mild. Aber nicht falsch verstehen, die Noten sind alle extrem präsent und genau auf den Punkt. Ganz wunderbar! 91/100
VOLXWHISKY The English Patient
Peter „Pit“ Krause vom Regensburger Whisky- & Weinclub ist eine Legende. Der Sammler, Tastingleiter und Museumsbetreiber ist auch unabhängiger Abfüller (und wahrscheinlich noch vieles mehr). Seine Abfüllungen sind ähnlich legendär. Er ist dabei nie verlegen um einen oder viele Seitenhiebe auf die Whiskyindustrie. Dazu verwendet er Fässer, für die sich andere wahrscheinlich zu Schandtaten hinreissen lassen würden. Diese Abfüllung aus 2019 ging sofort steil. Wahrscheinlich alleine durch das Label, mit dem er die verrückte Auktionsszene genauso auf die Schippe nimmt wie den Brexit. Was hier in der Flasche ist bleibt dabei unklar. Ein Islay Malt vermuten viele. Ardbeg, Laphroaig und in verschiedenen Fässern gereifter (reracked) Port Charlotte wird da vermutet. Konkret angegeben sind die Fässer: Oloroso-Sherry, PX und Riesling-TBA. Der Alkoholgehalt wird mit 51,9% festgehalten. Link zur Whiskybase
Nase: Peatsmoke und Südfrüchte. Auch irgendwelche Süßigkeiten aus meiner Kindheit, vielleicht aber auch Toffee und Fudge. Speckwürfel, die gerade in der Pfanne anfangen zu brutzeln.
Mund: Fruchtig, mineralisch, Torf überall, Chili, Pfeffer, ölige Textur, etwas Nuss. Das ist ganz schön wild.
Abgang: Spontane Port Charlotte Eingebung durch Nüsse. Dazu Laphi aus den fruchtigen Jahren. Ich kann schon verstehen warum hier keine Einigkeit herrscht.
Fazit: Trinkig lecker, aber hypeig. Das Label ist einfach der Wahnsinn, aber das kann man ja nicht trinken ;-). Ich wollte erst keine Punkte vergeben, aber der Rest aus dem Sample hat mir Spaß gemacht und er hat eine gute Punktezahl verdient. 88/100
Das mach ich jetzt jeden Tag…
… nein natürlich nicht. Kann ich mir weder leisten, noch möchte ich das tun. Das ist etwas mehr als besonderes und kein „Alltagstasting“ gewesen.
Der Bruichladdich und der Lagavulin standen noch mal weit heraus, aber auch die anderen drei waren sehr gut und immer noch mal mit einer eigenen Besonderheit. Großes Kino!
Bilder: Eigene Anfertigung (Christian), Samples: Eigene Flaschen (Christian) und privat gekaufte und getauschte Samples
Wie immer schön geschrieben von Tobias. Beim Longmorn muß ich widersprechen den fand ich deutlich besser und war eine tolle Überraschung. Ich sehe ihn eher bei 90-91 Punkten. Beim Rest schließe ich mit kleineren Abweichungen an. Der Gewinner des Abend war bei mir der Bruichladdich mit 92 Punkten.