Grain: Verloren und verschwiegen

Früh im Januar diesen Jahres hatte ich verschiedene Grains im Glas. Eine spannende Erfahrung. Ich beschloss damals erstmal nur noch auf Empfehlung Grains nachzusteigen. Es gab im Verlauf des Jahres einige solcher Gelegenheiten. Mit diesen möchte dann das Jahr auch beschließen und abrunden.

Bei Zweien handelt es sich um Lost Grain. Die Destillerie Cambus existiert nicht mehr. Die beiden Abfüllungen stammen von großen, bekannten Abfüllern: Cadenhead und SMWS.

Die dritte Abfüllung ist von einem kleinen, aber In Kennerkreisen durchaus namhaften, deutschen Abfüller: Dino Mancarella. Hier wissen wir nicht aus welcher Destillerie, dafür aber das reife Alter von 42 Jahren!

Insgesamt habe ich hier wieder über 100 Jahre Reifezeit im Glas. Schon das lässt die Vorfreude steigen!

Cambus 1989 SMWS G8.9

Die Scotch Malt Whisky Society füllte dieses Fass mit starken 60,1% ab. Es handelte sich um ein Ex-Bourbon Hogshead, welches noch 181 Flaschen hervorgebracht hat. Link zur Whiskybase

Nase: Muffins mit Brombeeren und grob gehackten Kernen, ich würde sagen Sonnenblumen und Pekannuss. Die nächste Schicht gibt Schuhpolitur mit Lavendelgeruch preis – gibt es sowas überhaupt? Danach kommt Toastbrot, mittlere Bräunung. Dazu ein Toffeeaufstrich.

Mund: Mehr dunkle Beeren und intensiv duftende Blumen. Dann eine schöne Süße die in ein prickeln und einige bittere Röstaromen übergeht. Dazu Pfeffer und Ingwerschärfe.

Abgang: Vanilleplunder mit kandierten Ingwerstücken. Zitronenkuchen mit Zuckerglasur. Wahrscheinlich noch ein paar weitere wunderbare Gebäck und Kuchenstücke, bis er dann mittellang bitter und fruchtig ausklingt.

Fazit: Fantastisch. Dem hier ist wenig hinzuzufügen. Mehr Länge vielleicht und es könnte einem deutlicher werden das es Whisky ist. Aber wer will sich schon groß beschweren? 89/100

Cambus 1988 Cadenhead

Nach dreißig Jahren in einem Bourbon Hogshead wurden vom unabhängigen Abfüller Cadenhead 300 Flaschen mit 46,1% auf den Markt gebracht. Mal sehen was ein Jahr mehr bewirkt. Link zur Whiskybase

Nase: Parfümierte helle Früchte, die in Puderzucker getaucht wurden. Traube, Zitrone, Apfel, Sharonfrucht. Ein Hauch Schokolade.

Mund: Süß und leicht nussig. Karamellbonbons und eine Getreidenote. Kakao Nibs und noch etwas leicht künstlich Fruchtiges.

Abgang: Wärmend, süß und leicht bitter dabei aber nur mittellang. Etwas Orange und Haferflockenmüsli.

Fazit: Ganz wunderbar und lecker. Stellenweise vielleicht etwas unterkomplex für das Alter, aber man kann den echt gut wegnippen. Gefährlich gut. Well done und ich kann auch die Entscheidung hier ein Einzelfass abzufüllen sehr gut nachvollziehen. 88/100

Mr. Grain 1976 Mancarella

Von Dino Mancarella nach 42 Jahren einen Fass entrissen und mit 46,2% abgefüllt. Nur 84 Flaschen kamen dabei raus. Ich hoffe das wusste er vorher. Zur Destillerie weiß man offiziell nichts. Man munkelt aber es ist ein Girvan. Link zur Whiskybase

Nase: Eine Möbelpolitur mit Vanillegeschmack (gibt es sowas? Sollte man erfinden…). Cocktailkirschen mit Marzipan. Ein wenig Holz aber nichts mächtiges.

Mund: Eine schöne Fruchtigkeit mit hellen, durchgereiften Früchten. Toffee und Cocos kommt dazu. Ein paar Nüsse vielleicht? Die Textur gibt eine wunderbares Mundgefühl. Seidig und umschließend. Und irgendwas erinnert mich an Limonade…

Abgang: Zwischen fruchtig und bitter, süß und sauer und in der Länge auch etwas salzig. Da sitzt er irgendwo dazwischen und bleibt und bleibt und bleibt… und dann ist er plötzlich weg. Nur noch eine kleine Erinnerung bleibt auf der Zunge. Äpfel und Kakao.

Fazit: Sehr leckerer Whisky, in Würde gealtert. Die 42 Jahre kennt man ihm nicht an und das ist beeindruckend. Vor allem der Abgang macht mir Spaß – und das will bei einem Grain was heißen. 88/100

Gerne mehr davon!

Alles sehr leckeres Zeug. Ich kann nur sagen: Würdige Vertreter der älteren Grain-Riege. Der SMWS Cambus liegt vielleicht noch eine Nuance vorne. Das ist schon ein spezieller Whisky, aber das macht ihn sehr interessant. Das Gesamtbild ist dabei einfach stimmig und der hohe Alkoholgehalt ist kaum merkbar.

Toll finde ich auch die beiden Cambus im Vergleich. Beide auf sehr hohem Niveau, mit ein paar gemeinsamen Anknüpfungspunkten. Dennoch deutliche Unterschiede und eigener Charakter. Auch das hat mir sehr gefallen.

Auch Dino’s Wahl ist eine Reise ins Grain-Universum wert. Das Profil würde ich als „gereifte Süßigkeit“ bezeichnen. Wie kommt er nur immer an diese Fässer?

Solche Empfehlungen nehme ich gerne mehr entgegen und freue mich schon darauf!

Bilder: Eigene Anfertigung, Samples: Eigene Flaschen und privat gekaufte Probe.