Sechs Einäugige im Sherryfass
Tobias: Christian und ich haben es wieder getan. Ein weiteres „half blind“-Tasting. Zur Erinnerung kurz und knapp:
- Jeder bringt drei Samples, die er selbst noch nicht getrunken hat.
- Diese werden für uns nicht nachvollziehbar eingeschenkt (danke an Priscilla!)
- Wir tasten, bewerten und besprechen alle sechs Whiskys.
- Im Anschluss erläutern wir uns gegenseitig was wir mitgebracht haben. Dann raten wir welcher Whisky welcher war.
- Wir lösen auf und schämen uns aus verschiedenen Gründen.
Dieses Mal haben wir uns als Motto Lagerung oder Nachlagerung im Sherryfass vorgenommen.
Christian: Es war wieder grossartig, auch wenn man als Nebenbemerkung feststellen muß das Magic und Whisky nicht wirklich gut zusammenpassen. Zumindest nicht wenn man ewig nicht gespielt hat und jede Karte neu lesen muß 🙂
Glendronach 1995
Original Bottling, 21 Jahre, Pedro Ximenez Sherry Puncheon, 51,2%
Christian: Tolle Nase zum Einstieg, Zwetschge und ein bisschen Leder. Der Mund hingegen enttäuscht etwas und fällt stark ab zur Nase. Dazu kommen bittere Noten und Schwefel aber auch Schoko und Nüsse. Ich hatte wieder mal den grossartigen Glendronach von Jack Wieber aus der Ocean Line Serie im Kopf als ich das Sample besorgte, aber an den kommt er lange nicht ran 80/100
Tobias: Der Geruch hat viel versprochen. Das hält er leider nicht. Im Mund hat er viel Säure und ist ansonsten einfach nur Rund. D.h. es nichts da um die Säure zu kontern. Diese ist auch im Abgang noch da, es bleiben auch Malz Trauben und etwas Schwefel. Wasser bringt im Mund etwas Rosinen, was Vorteilhaft ist, der Nachhall wird trockener. 82/100
Release the Peat: Ardbeg Day 2012
Original Bottling, keine Altersangabe, 56,7%
Tobias: Die Ardbeg Destille feiert jedes Jahr zum Feis Ile Festival auf Islay den Ardbeg Day. Natürlich mit einem speziellen Whisky. 2012 war er in Sherry Fässern nachgelagert, was eine gewisse Besonderheit darstellt.
Golden im Glas kommt die Nase mit dem Torf der zu erwarten war. Dann gesellt sich das Nosing Gefühl von trockenem Rotwein dazu und es kommen Noten von Kirsch und Waldhonig durch. Beim ersten Schluck schreit mich vor allem eines an: ASCHE!!! Etwas Kohle und Gummiabrieb kommt auch noch dazu. Im Abgang kommt das Malz durch, etwas Zuckersirup, die Kirschen und trockener Sherry sind auch da. Mit Wasser ist es ein anderer Honig, der Gummi wird dominanter und Abgang hat jetzt auch Torf und Teer. Insgesamt extrem gut! 89/100
Christian: Jawohl Sherry und Peat, da freut man sich sofort was da kommen wird, das ganze wird unterstrichen von Zimt und Früchten. Der Geschmack ist intensiv und erstmal ein echtes Brett im Mund. Das ist ne ganze Menge verbranntes, aber es kommt etwas Kaffee und Früchte durch. Sehr lecker, aber irgendwie hatte ich auf noch ein bisschen mehr gehofft! 88/100
Kavalan Sherry Oak
Original Bottling, keine Altersangabe, 54%
Tobias: Kavalan erhält regelmässig Auszeichnung als bester in verschiedenen Wettbewerben. Für eine taiwanische Destille sind solche Auszeichnungen in Konkurrenz zu den schottischen Wettbewerbern noch mal mehr Wert. Vor allem ihre Finishes in Wein- oder Sherryfässern sind berühmt und gesucht. Das qualifiziert sie natürlich besonders für dieses Tasting.
Der Alkohol ist in der Nase sofort bemerkbar. Gleichzeit kommt etwas Honig, dezent Rosinen und ganz klar Pedro Ximenez-Sherry. Der ist dann auch gleich im Mund wieder da. Zusätzlich ist er süß und auch etwas Schokolade ist da. Im Abgang ist er bittersüß, Holznoten sind da und die Rosinen sind wieder da. Mit Wasser hat er was von Single Cask Rum, die Süße ist weg und er ist trockener. Insgesamt könnte das auch ein Sherry mit extrem viel Alkohol sein. 85/100
Christian: Der Sherry steigt sofort in die Nase, etwas Karamel und Holz. Im Mund kommen Nüsse dazu und Salzkaramell. Insgesamt eher ruppig aber lecker. 87/100
Ballindalloch Sherry Butt
Independent Bottler (Malts of Scotland), 2000-2010, 59,2%
Christian: Ballindalloch ist wohl eine „geheime“ Abfüllung von Glenfarclas, die können ja immer was mit Sherry. In der Nase etwas von Balsamico-Vinegrette. Im Geschmack pfefferig und Holz, aber leider war kein frisches sondern eine eher gammelige Kiste (das hatten wir doch schonmal). Den Abgang fand ich eher durchschnittlich und da kommt auch nicht mehr viel. Die Farbe ist wirklich, wirklich dunkel, man war ich auf den gespannt, aber die Erwartungen wurden nicht erfüllt 70/100
Tobias: Die Nase hat was von Ketchup. Im Mund ist der Sherry zwar da, aber auch unangenehm viel Holz und er ist ziemlich modrig. Der Abgang ist relativ lang und süß aber leider auch nicht überragend. Wasser verdünnt leider vor allem die positiven Aspekte. Nicht gerade mein Favorit. 74/100
Port Charlotte 2001
Independent Bottler (Malts of Scotland), 2001-2010, 61,6%
Tobias: Port Charlotte heißen die getorften Bruichladdich Whiskys. Fassfinisches sind dabei auch regelmässig dabei. Hier haben wir eine unabhängige Abfüllung ausschließlich aus dem Sherry Hogshead.
Das satte Braun im Glas wird in der Nase gleich von Torf begleitet. Dazu Verbände und Desinfektionsmittel, eher unüblich für Port Charlotte. Dafür sind eher andere Islay Destillen bekannt. Ein wenig Menthol glaube ich auch zu entdecken. Das ist auch im Mund wieder da genauso wie der Torf, dazu gesellt sich eine deutliche Süße. Im Abgang das gleiche Bild. Mit etwas Wasser kommt der eher typische Speck durch. Dazu nussige Noten und trockener Sherry. Wasser tut hier sehr gut, dank des hohen Alkoholgehaltes schaden auch ein paar Tropfen mehr nicht. Lecker. 86/100
Christian: In der Nase viel Sherry mit deutlichem Torf, etwas Schießpulver und Schuhcreme. Im Mund viel Torf, Schokolade und Pfeffer. Langes Finish und der Alkohol kommt nochmal durch. Ein ganz schönes Brett mit Ecken und Kanten, aber Lecker- Wasser hilft. 88/100
Bruichladdich Black Art 05.1
Original Bottling, 1992-2016, 48,4%
Christian: Der letzte für den Abend und nochmal ein besonderes Bottling. Der 05.1 ist der erste aus der Black Art Reihe, der nicht mehr vom Master Destille Jim McEwan kreiert wurde. Der Marketing Hype spricht natürlich wieder von einer streng geheimen Zusammensetzung. Die Nase ist komplex mit Schokolade und Steinobst. Im Mund mehr davon und eine angenehme Süße. Insgesamt lecker 87/100
Tobias: Die Nase hat Honig und Nüsse und ist irgendwie parfümiert (Kirschblüten?). Im Mund ist er dann eher nichtssagend. Süße ist da und vielleicht etwas Praline. Im Abgang kommt dann noch eine Spur Rauch und die Süße nimmt noch mal zu. Mit Wasser erinnert er an Ingwerstäbchen. Er ist vielfältig aber dezent. Zu 100% trifft er meinen Geschmack nicht. 85/100
Fazit:
Tobias: Beim Erraten der Bottlings haben wir uns beide echt nicht mit Ruhm bekleckert und haben sehr viel gelacht. Das Format ist weiterhin der Knaller und das Tasting hat wieder sehr viel Spaß gemacht.
Die Auswahl war erneut divers aber auch kontrovers. Insgesamt auf einem sehr hohen Niveau hat sich vor allem der Ardbeg deutlich abgehoben. Interessant da es ja ein NAS Bottling ist. Also ohne Altersangabe. Leider ist der schon lange vergriffen und die wenigen Restbestände relativ teuer (>250€). In einer ähnlichen Preislage liegt der Black Art, auch wenn es davon noch viele gibt. Jedes Jahr eine sehr gefragte und renommierte Abfüllung. Ich find sie gut, aber nicht überragend. Immerhin „nur“ gleichauf mit dem taiwanischen Whisky, was wohlgemerkt ein Standardbottling war. Um es mit Public Enemy zu sagen: Don’t believe the hype!
Christian: Das Format ist toll und dieses Mal war kein Ausrutscher nach unten dabei wie beim letzen Mal, auch wenn ich echt Angst hatte das Tobias mir einen Fettercairn unterjubelt. Leider aber auch kein echtes Highlight. Aber das nächste Tasting folgt schon bald. PS. Muss mehr Samples kaufen.