Desertbuffet und Schinkenbrett – Messebesuch „The Village“ 2017 Teil 3
Im letzten Teil zur diesjährigen The Village geht es an die „Bomben“. Da kommen die torfigen Whiskys von den Inseln oder intensive Sherrymonster der Speyside. Feuerwerk für Nase und Gaumen.
Speyside Malt 1980, Sansibar Spirits Shop Selection, 35 Jahre (1980-2015), 47,3%, Sherry Butt
Ein Unbekannter. Bei diesem Whisky ist nicht bekannt aus welcher Destille er stammt. Sogar der Abfüller Sansibar hat laut eigenen Angaben keine Ahnung. „Nimm das Fass wie es ist oder lass es“, soll es geheißen haben. Es gibt einige Destillen die nun in Frage kommen. Am Stand gab es wildeste Ideen, ich mag mich daran nicht weiter beteiligen. Dadurch schmeckt er auch nicht anders. Interessant ist noch: auf Whiskybase ist er aktuell als Blend gelistet. Das stimmt definitiv nicht. Allein schon die Flaschenzahl sagt das eindeutig. Es fehlt auch der (verpflichtende) Hinweis auf der Flasche.
Nase: Ultrareife Schwarzkirschen, ganz kurz bevor sie drüber wären und Zedernholz direkt aus einem Humidor. Nach einer Weile dann noch ledrige Töne und Honig.
Mund: Anfangs prickelt er kurz, ein paar Bittertöne und dann kommt Kirschwasser und Rauch.
Abgang: Er bleibt leider einen Ticken zu kurz. Den Sherry, den Cherry Heering und die cremige Süße möchte man für immer festhalten.
Großer Respekt! Dieses Bottling ist extrem gut gelungen. Wenn man 200€ für Whisky übrig hat: Die sind hier gut investiert. Ich vermute der wäre um einiges teurer, wüsste man die Destille. 91/100
Caperdonich 1992, Berry Bros. & Rudd, 24 Jahre (1992/2014), 46%
Eigentlich wollte ich danach den Amrut Intermediate Sherry probieren. Aber wie schon erwähnt: Bei den Originalabfüllungen waren keine besonderen Bottlings am Start. Deshalb entschied ich mich am Stand daneben für einen weiteren Caperdonich. Der erste hat ja noch etwas Luft nach oben gelassen.
Nase: Da ist viel Zitrus und Getreide und ganz dezent Hubba Bubba Apfel. Und zwar wenn man das erste Mal drauf beißt. Der Geschmack der nur wenige Sekunden bleibt (Memo an mich: muss ich mal wieder probieren, das ist bestimmt 25 Jahre her ?).
Mund: Es ist Strudelzeit! Apfelstrudel, aber bitte ohne Rosinen, Zimt und Vanillesauce. Klingt als Desert langweilig, ist als Whisky aber schon ein wenig geil.
Abgang: So süß, dass einem schon fast die Zähne weh tun. Mit dem Geschmack von Honig.
Der ist schon speziell, findet aber sicher seine Freunde. Ich hatte auf jeden Fall Spaß daran. Ich glaube außerdem der schmeckt auch Leuten, die sonst eher keinen Whisky trinken, weil sie das Rauchige nicht mögen. 88/100
Port Charlotte 2004, Originalabfüllung für Barrel Boys Schweden, 9 Jahre (2004-2010), 58,9%, Bourbon Cask
Beim Whisky Club Austria angekommen war klar: Torf und Rauch soll es sein. Die Auswahl ist riesig und ich nutze die Zeit zum stöbern, während der Rest schon Gläser befüllen lässt. Mir fällt ein, dass es relativ viele kleine und sehr kleine unabhängige Abfüllungen von Bruichladdichs Port Charlotte gibt. 5-12 jährige Whiskys, die für Clubs und Händler abgefüllt wurden. An sowas ist immer recht schwer ran zu kommen und die Bewertungen,die man so liest, sind häufig sehr gut. Und siehe da, ich wurde fündig. Die Barrel Boys aus Schweden haben sich z.B. ein Fass abfüllen lassen. Ab in die Sauna?
Nase: Frisch angeschnittener, stark geräucherter Schinken auf einem Holzbrett. Wenn er länger im Glas ist kommt noch eine medizinische Note dazu.
Mund: Schinken mit Honigkruste und ein wenig Hustensaft.
Abgang: Schinken und weißer Pfeffer, dazu etwas süßer Senf. Er bleibt sehr lange.
Das ist wirklich Kontrastprogramm zu vorher und man könnte meinen ich hätte Hunger gehabt. Aber da war ich satt und zufrieden. Klasse Whisky! 87/100
Port Charlotte 2001, Krügers Whiskygalerie, 6 Jahre (2001-2007), 61,5%, Bourbon Cask
Ich hab die Gelegenheit genutzt und gleich noch so einen als Abschluss mitgenommen. Von den (deutschen) Betreibern einer renommierten aber unbedienbaren Auktionsplattform für Whisky. Noch mal stärker, noch mal jünger. Der hat hoffentlich noch genug Power – nach all den Eindrücken, die schon an Nase und Gaumen haften.
Nase: Wieder Schinken, diesmal mit einer mineralischen Note und Zedernrauch. Ein ziemlich wilder Mix irgendwie.
Mund: Der hohe Alkoholgehalt ist im Mund deutlich präsent. Wenn sich das gelegt hat, dann kommt der Schinken zurück und eine deutliche Süße.
Abgang: Ich weiß, langsam wird es albern. Klingt fasst nach einer Obsession. Aber die Geschmacksnerven sagen: Schwarzwälder Schinken. Auf Vollkornbrot. Mit Butter.
Der hat wirklich noch mal mit Aromengewalt aufwarten können und war auch gut. Allerdings war das Gesamtbild etwas unrund. Der Wechsel zum Teil etwas zu brachial. 84/100
Das war sie also, die Village in Wort und Whisky. Auch die hinteren vier Bottlings waren qualitativ extrem gut. Wieder 87,5 Punkte im Schnitt, ich sehe da ein Muster ?. Nachhaltig beeindruckt haben mich der Glenturret aus Runde eins, auch wegen dem Preis-/Leistungsverhältnis und der außerirdische Speyside.
Fazit: Es hat sicher jeden Fall wieder gelohnt. I’ll be back!