Sechs Einäugige beim Whiskytasting

Eine Blindverkostung nennt man das Verkosten von Getränken oder Speisen, ohne das Wissen was man da genau zu sich nimmt. Christian und ich haben in der vergangenen Woche vor 2 Monaten (da Christian seine Tastingnotes erst wiederfinden musste) etwas ähnliches getan. Jeder von uns hat drei kleine Proben an den Start gebracht. Dabei handelte es sich ausschließlich um Whiskys, die wir beide noch nicht getrunken hatten. Wir wussten jeweils auch nicht was der andere mit bringt. Priscilla war dann so nett und hat die Proben eingeschenkt. Und zwar so das wir nicht wussten welcher Whisky in welchem Glas ist, wir aber zum Schluß das ganze noch auflösen konnten. Wir waren als beide jeweils der Einäugige für den anderen Blinden.

Ergänzung Christian: Ein fantastisches Format, welches sich Tobias überlegt hat. Hat einen Mords Spaß gemacht die Whiskies rauszusuchen und das machen wir jetzt öfter!


Benrinnes Connoisseurs Choice

Independent Bottler (Gordon & MacPhail), 1972-1997, 40%

benrinnes_1972

Tobias:

Mit Samples ergibt sich die Möglichkeit mal ein paar (mir) eher unbekannte Destillen zu erforschen. Zu Benrinnes hab ich bisher gar kein Bild. Das Sample stammt aus einem Schwung den ich gemeinsam ersteigert habe. Es ist der älteste Whisky den ich bisher getrunken habe. Der Geruch erinnert an Äpfel und hat aber leider auch ein Lösungsmittelnote. Im Geschmack finde ich Asche und trockenen Cidre. Da kommt das Alter klar zum Tragen. Im Abgang hat er eine feine Süße. Mit Wasser ist der Geruch angenehmer und im Geschmack ist das Fass präsent.

84/100 Punkten

Christian:

Wie bei Tobias war Benrinnes für mich ein unbeschriebenes Blatt. In der Farbe dunkler Bernstein, kommt die Nase mit einer eine angenehme leichte Süße von Obstblüten daher. Der Geschmack hat am Anfang noch leichte Calvadosnoten bis dann überauschen und über die Nase nicht zu erwartender TORF durchkommen. Nicht direkt Hochmoor und Aschenbecher aber doch deutlich und ein schöner Konter zur Süße. Leider kommt auch trotz der nur 40% eine leicht alkoholische Note durch. Insgesamt reicht es für mich nicht zu mehr als einem ganz gut. Liegt wahrscheinlich auch an den nur 40%.

80/100 Punkten


Talisker 20 Years Old

Original Bottling, 20 Jahre, 1981-2002 in Sherry Casks, 62% 

talisker_1981

Christian:

Auf diesen Whisky war ich im Vorfeld schon so unglaublich gespannt. Talisker 10 war meine erste große Liebe beim Whisky und dieser Whisky ist ja so etwas wie die hübschere, beste Freundin der ersten Liebe … Oder so ähnlich, lassen wir das. Auf jeden Fall ein legendärer Talisker von dem es heißt “Drink this  or you life will be incomplete”. Gerade deswegen aber auch das ideale Format um diesen Whisky unbefleckt zu probieren und ich war sehr happy als ich endlich ein Sample hatte.
Die Kupfergoldene Farbe leuchtet wunderbar im Glas und in der Nase macht sich ein fruchtiger Geruch von Rosinen breit. Im Mund trifft einen erstmal die Faust der 62% und gibt einem einen freundlichen Klapps. Da kommt ein Whisky mit viel Kraft und einer schönen süßen und deutlichen Sherrynote welche dann von leichtem Rauch begleitet und einfach nicht mehr weggeht. Ein sehr langer Abgang den man auch nur sehr ungern von der Zunge verliert.

94/100

Tobias:

Im Geruch Rumrosinen und ganz leichter Rauch. Im Mund kommt eine starke Süße und er schreit das Sherryfass förmlich raus. Er hat Dampf ohne Ende. Der Abgang ist trocken und mit einer leichten Bitternote. Diese ist aber nicht unangenehm. Mit Wasser kommen ein paar Orangennoten dazu. Ein äußerst gelungener Whisky!

93/100 Punkten

 The Circus 

Blended Whisky, Original Bottling (Compass Box), NAS, 2016 abgefüllt, 49%

compassbox_circus

Christian:

Ein weiterer Whisky auf den ich sehr gespannt war. Schließlich hatte Compass Box mir die Augen geöffnet das Blends doch auch sehr sehr lecker sein können.
In der Nase Honignoten. Im Geschmack sehr mild, fast ein wenig flach mit Spuren von Melone und Papaya, im Abgang dann mit einer leichten Paprikaschärfe. Lecker aber im Vergleich zum Preis und den großartigen Flaming Heart Bottlings vom gleichen Abfüller kann er nicht mithalten.

85/100

Tobias:

Im Geruch trocken und ich finde Sherry. Dieser ist auch im Mund wieder da. Dazu kommt Birne und eine deutliche Süße. Diese ist auch im Abgang da. Grundsätzlich lecker, aber fast ein wenig zu rund.

84/100 Punkten

Fettercairn

Independent Bottler (James MacArthur), 11 Jahre, 1992-2003 im Bourbon Cask, 60,5%

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Tobias:

Fettercairn, wieder eine Destille zu der ich nichts weiß. Die Farbe im Glas erinnert an sehr hellen Weißwein. Im Geruch finden sich Getreide und weiße Pfirsiche. Der Geschmack ist sehr schwer zu beschreiben. Eine sehr eigentümliche Note die ich einordnen kann. Nicht zwingend schlecht, aber auch kein Highlight. Im Abgang hat er einen leichten Schmelz. Den hohen Alkoholgehalt merkt man kaum.

71/100 Punkten

Christian:

Für mich ebenfalls eine Destille von der ich nichts wusste, zu der ich aber auch nicht mehr wissen muss. In der Farbe heller Chardonnay kommt die Nase eher unangenehm scharf daher. Beim Geschmack wird es dann … Bähhh. Oder um es in schöne Worte zu fassen, eine nasse, modrige Zeitungskiste die man in der Ecke des Kellers vergessen hatte … But in a bad way. Und ich wiederspreche Tobias ungern aber doch der ist wirklich schlecht.

20/100 Punkten


Talisker Natural Cask Strength Maritime Edition

Original Bottling, 27 Jahre, 1985-2013, 56,1%

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Christian:

Ein weiterer Talisker für diesen Abend. Hier das 2013 Botteling aus der Diageo Special Bottelings Reihe für 2013. In der Nase Wiesenblumen und ein feiner Rauch wie von einem Kartoffelfeuer. Im Geschmack küstentypischer Taliskerrauch mit Noten von Meer und Salz. Im nachhinein hätte ich mir bei dem Bottling noch etwas mehr erwartet aber die maritimen Noten kommen schön durch. Bei dem Preis eher etwas für beinharte Taliskerfans.

89/100 Punkten

Tobias:

In der Nase kommt sofort eine feine Torfnote und auch Seetang und Orange. Im Mund gibt’s Fichte und Salz. Im Abgang ist er trocken und ich habe mich kurz gefragt ob nicht doch noch ein zweites Fass mitgemischt hat. 89/100 Punkte


Langatun Old Bear Smoky Whisky 

Original Bottling, No Age Statement, 2014 abgefüllt, 40%

langantun_oldbear

Tobias:

Mein “U-Boot” für dieses Tasting. Stefan hat mir aus der Schweiz von Langatun Samples mitgebracht. Smoky (smokey?) prägt natürlich schon ein Bild im Kopf, dem wird der Whisky überhaupt nicht gerecht. Im Geruch gibt’s eine Idee von Orangenstäbchen. Der Geschmack ist extrem rund, keinerlei Kanten an denen man sich erfreuen kann. Etwas parfümiert, aber auch künstlich. Genauso wie der Abgang. Ein Whisky für jemanden der gar keinen Whisky trinken will sondern einen Brandy oder so (jetzt tu ich wahrscheinlich dem Brandytrinker unrecht ;-)).

67/100 Punkten

Christian:

Mit einer satten orange-goldenen Farbe und einer Nase von Kastanien weckt er durchaus Interesse und eine gewisse Erwartung. Im Geschmack dann etwas flach, massenkompatibel abgerundet aber mit einer nicht unangenehmen salzigen Note. Ingesamt kommt da nicht viel und bei der Farbe ist wohl auch eher nachgeholfen worden. Aber ich habe schon schlechtere Festlandwhiskies getrunken und lieber ne Flasche von dem als noch einen Schluck Fettercairn 2003

65/100 Punkten

Fazit Tobias:

Ein großartiges Format. Das hat wirklich erstaunlich viel Spaß gemacht und hat einige Erkenntnisse gebracht. Leider auch die, dass der “Gewinner” des Abends pro Flasche 1300€ kostet. Das war wohl zu befürchten, der ist nicht umsonst so teuer. Aber insgesamt spart es doch auch Geld. Wir haben von einigen der Drams ganz klar erkannt: Da lohnt sich der Kauf einer ganzen Flasche für teures Geld sicher nicht. Auf der The Village Whiskymesse in Nürnberg haben wir ein Mitglied eines österreichischen Whiskyclubs kennengelernt das uns erklärt hat er kauft nur noch Samples. So kann er möglichst viele unterschiedliche Whiskys probieren. Irgendwie kann ich nach diesem Tasting ein bisschen mehr verstehen, warum er daran Freude hat.

Fazit Christian:

Dem kann ich mich nur anschließen. War ein großartiger Abend mit tollen Whiskes und ein Format welches wir fortsetzen werden. Wenn man die Flaschenpreise addiert würde man auf beschauliche 3.000€ kommen …. gut das es Samples gibt. Leider war der teuerste Whisky des Abends auch der Beste, irgendwie hatte ich gehofft, den nach dem Abend aus dem Kopf lassen zu können. Hat nicht geklappt aber das nächste Sample findet sich bestimmt!

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