Wheat Field

Single Cask, Single Grain (Teil 4)

In den nächsten Wochen und Monaten werde ich hier im Blog ein wenig kürzer treten. Ich möchte mich auf andere Dinge fokussieren und deshalb kann ich nicht mit sechs oder mehr Reviews pro Woche aufwarten. Da ich aber den wöchentlichen Takt gerne beibehalten möchte werde ich, wenn notwendig, die Anzahl pro Beitrag reduzieren.

Diese Woche starte ich mit „nur“ fünf Single Cask Single Grains. Allesamt abgefüllt von unseren Freunden in Dornoch. Zeit für einen solchen Beitrag wird es, das letzte mal haben die Grains vor ziemlich genau einem Jahr hier glänzen dürfen. Bezüglich Single Cask hab ich diesmal ein wenig geschummelt. Aber nur ein bißchen.

Strathclyde 1994 – Phil & Simon Thompson Error 502 Bad Gateway

Eine Flasche Strathclye 1994 von Phil & Simon Thompson

Beginnen wir mit Youngster. Der hat in diesem Fall auch schon 28 Jahre auf der Uhr. Die verbrachte der Strathclyde in einem Refill Barrel. 2023 wurde er mit 43,4% in 169 Flaschen gefüllt. Link zur Whiskybase

Nase: Initial etwas Klebstoff und Lösungsmittel. Dann Mandel und Gebäck, Bratöl kurz vorm Sieden. Vanille und Getreidenoten.

Mund: Milchschokolade mit Kokosraspeln. Popcorn, Getreideriegel, eine etwas künstliche Zitrusfruchtnote. Wenn man im Mund etwas Sauerstoff dazu gibt, dann entwickelt er einen kühlende Menthol- oder Minznote.

Abgang: Leicht würzig und pfeffrig. Die Maisnote wird noch stärker. Karamell über angebranntem Popcorn mit Pfeffer darüber. Genau das. Mit der Zeit auch noch trocken und zitronig.

Fazit: Ein typischer Grain aus einem Refill Cask. Was jetzt nicht Schlechtes ist. Grundsolide, trinkig, das Alter merkt man ihm weniger an als ich es vielleicht gehofft habe. 85/100
In den offiziellen Notes ist auch noch von Fenchel die Rede. Den finde ich persönlich nicht – und ich mag Fenchel und esse ihn relativ häufig.

Girvan 1990 – Phil & Simon Thompson

Eine Flasche Girvan 1990 von Phil & Simon Thompson

Wir bleiben in den Lowlands. Der Girvan hat sogar 32 Jahre Reife hinter sich. Die 383 Flaschen mit 48,7% stammen aus einem Refill Barrel und einem Refill Hogshead. Also nicht so ganz ein Single Cask. Link zur Whiskybase

Nase: Klebstoff und Lösungsmittel. Salziges Popcorn. Grünes Gemüse, Wachs, Jogurthgummibärchen. Später: Vanillezucker, Blätterteig. Die offiziellen Notes umfassen sehr viele Früchte und Gelees – davon finde ich hier nichts.

Mund: Würziger Antritt, mit Pfeffer und Zitrusschärfe, Kokosshavings, Wachs, Ananas (eher grün),

Abgang: Viel Volumen im Rachen. Leicht nussig, Limette, Zitronenzeste, Zitronensaft, grüner Apfel, stichfestes Jogurth, trocken,

Fazit: Absolut solide. Ich hätte mir wahrscheinlich etwas mehr spürbares Alter gewünscht. Ein schöner Starter für einen Abend würde ich sagen. 86/100

Invergordon 1987 – Phil & Simon Thompson

Eine Flasche Invergordon 1987 von Phil & Simon Thompson

Immer weiter zurück geht es mit dem Brennjahr. In den Highlands bei Invergordon gebrannt und dann 35 Jahre im Refill Barrel gereift. 230 Flaschen mit 54,3% kamen dabei raus. Link zur Whiskybase

Nase: Kokos und Vanille, Biskuitboden mit Rosenwasser beträufelt. Dazu Essiggurkenwasser und Sauberbier. Ok das ist… einzigartig.

Mund: Butterscotch, Spongecake, gleichzeitig kräftig kräutrig und grasig. Vanille und Kokos sind weiterhin dabei. Das ist schon ganz schön speziell.

Abgang: Malzbonbons, Honig, Pale Ale. Auch der Kuchen ist wieder da. Die Gewürznoten sind jetzt sehr mild. Wahrscheinlich bin ich darüber sogar froh.

Fazit: Spannend. Ich glaube das könnte an manchen Abenden mein Favorit sein, weil er ziemlich ungewöhnlich ist. An anderen aus genau diesem Grund komplett off. Faszinierend. 86/100 – wenn ich eine Zahl drauf schreiben muss.

Cameronbridge 1975 – Phil & Simon Thompson Error 502 Bad Gateway

Eine Flasche Cameronbridge 1975 von Phil & Simon Thompson

Es geht nochmal ein Jahrzehnt zurück. Nach 48 Jahren ist der Grain aus den Lowlands dann fast so dunkel als hätte er ein Sherryfass gesehen. 103 Flaschen mit 46,2% gab es. Link zur Whiskybase

Nase: Popcorn, Kokos und dazu passende Rumnoten. Möbelpolitur und trockene Holznoten halten dagegen. Brauner Zucker, der gerade in der Pfanne von fest zu flüssig übergeht. Das bringt dann eine sehr delikate Fruchtnote

Mund: Sehr tropisch und fruchtig. Dabei die „korrekte“ Süße, aber auch die Bitterstoffe, die ausgleichen. Das gibt eine tolle Struktur und er muss nicht um die fehlenden Prozente ringen.

Abgang: Sehr leckeres Vanillegebäck beim einen Schluck, gepfefferte Südfrüchte beim anderen. Tatsächlich deutlich weniger Bittersstoffe als im Taste, was für mich eher ungewöhnlich ist.

Fazit: Da ist nichts fragil oder gar instabil. Wenn alle Whisky mit 46% so ausdrucksstark sein könnten, dann würde man über die Rolle von fassstärke nochmal anders nachdenken. Ich bin ein wenig beseelt. Das ist ein fantastischer Single Grain. Und versteht mich nicht falsch: der will kein Single Malt sein und muss das auch gar nicht. 90/100

Invergordon 1974 – Phil & Simon Thompson Error 502 Bad Gateway

Eine Flasche Invergordon 1974 von Phil & Simon Thompson

Zum Abschluss nochmal zurück in die Highlands. Diesmal stehen sogar 49 Jahre zu Buche. Dann musste er aber raus aus dem Refill Hogshead, denn er war bei 40% angekommen und drohte kein Whisky mehr sein zu dürfen. 109 Flaschen konnten noch auf Flasche gezogen werden. Link zur Whiskybase

Nase: Vegetale Öl- und Wachsnoten, die sich mit den erwarteten „antiken“ Aromen verbinden. Hölzer, altes Leder, verstaubte Bücher. Etwas Vanille und Kokos können sich auch noch dazwischen reinschleichen und zeigen, dass es sich hier um einen Grain handelt.

Mund: Eine würzige Süße. Ein Sirup, in dem ein paar Holzchips und getrocknete Bananen ausgekocht wurden. Schwarzkirschen und Mandeln werden an der Pfanne vorbeigetragen.

Abgang: Zuckersirup und Kokosshavings werden in der Pfanne erwärmt. Dazu kommt eine schöne, alte Holznote, die auch eine gewisse Säure mitbringt. Am Ende geht es für mich noch ein wenig in Richtung Mandeln und Marzipan.

Fazit: 40% sind 40% sind 40%. Aber: Das ist ein gigantisch gut gereiftes Destillat. Und wenn man sich Zeit nimmt, dann kann man hier wirklich viel Tiefe schmecken und sich sehr leicht verlieren. 89/100

Sweet Spot 40+ Jahre?

Die anekdotische Evidenz dieses Beitrags lässt es vermuten. Die beiden aus den 70ern waren schon nochmal deutlich besser. Aber insgesamt bin ich aktuell wirklich fein mit den gut gereiften Grains. Man kann sein Whiskytaschengeld schlechter investieren.

Mehr zu: Cameronbridge, Girvan, Invergordon, Strathclyde, Single Grain (Teil 3)
Bilder: Titel: Photo of a wheat field by Polina Rytova on Unsplash | Flaschen: Eigene Anfertigung
Samples: Eigene Flaschen