Gordon & MacPhail Re-Collection Tasting im Brühler Whiskyhaus

Es ist schon kein gewöhnliches Release, dass im Spätjahr vom unabhängigen Abfüller Gordon & MacPhail angekündigt wurde. Die „Re-Collection“ , wie sich das Release nennt, enthält ausschließlich Abfüllungen von Lost Distilleries. Ein 42jähriger Imperial, ein 39jähriger St. Magdalene (den Tobias hier verkostet hat), ein 46jähriger Banff waren zum Beispiel darunter.

Das klang schon gut, aber wo kann man sowas dann auch mal probieren außerhalb von absoluten Nerd-Messen oder als Sample von Flaschenteilern?
Von daher musste ich mir schon ein wenig die Augen reiben, als ein Tasting mit 6 der Abfüllungen angekündigt wurde. In Brühl, also quasi ein Heimspiel, und dann noch mit Moderation von einem Gordon & MacPhail Mitarbeiter und mehrgängigem Menü.

Preislich natürlich kein Schnäppchen. Da bekommt man auch nicht nur eine gute Flasche Whisky für den Gegenwert des Abends. Aber die Neugier schaltete die Vernunft aus, und so wanderte ein Ticket zu mir und ich dann am 17.12. nach Brühl.

Dort angekommen und nett empfangen, gab es im Vorhinein Zeit den Laden zu erkunden bevor die Meute in den schön eingerichteten Tastingraum geladen wurde.

Da es das Tasting in der 1cl und 2cl Version gab, waren die Tische schon mit Platzkärtchen eingedeckt und liebevoll hergerichtet. Kärtchen mit dem Abendprogramm lagen aus und verrieten Tastingreihenfolge und die Gerichte.

Die acht Whisky des Abends, jeweils in einem Glencairn Glas
Die 8 Whisky des Abends

Hierzu meine Notes und Notizen:

Das Flaschenbild des Imperial 1993, 28 Jahre alt aus einem first fill sherry puncheon

Imperial 1993, 28 Jahre (1st fill Sherry Puncheon)

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In der Nase ein intensiv dunkelfruchtiger Whisky. Ledersessel, Tabak und Pflaumenmus. Datteln und Rosinen.

Im Mund tritt er zunächst etwas ingwerscharf an. Danach aber Ausgewogen zwischen dunkler, süßer Frucht (Rosinen und getrocknete Beeren) und Würze. Studentenfutter und Tabak. Der weihnachtliche Eindruck wird abgerundet durch Bratapfel mit Zimt und Muskat, dazu etwas Piment.

Mittellang klingt der Whisky aus, Milchschokolade und Milchkaffee mit einer würzigen Seite (Spiced Latte).

89/100

Ein Flaschenbild des 33 Jahre alten Longmorn

Longmorn 1987, 33 Jahre (Refill american Oak Hogshead)

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Huch, Longmorn im Lost Distillery Tasting? Habe ich da etwas verpasst? Nein, Marco Bonn richtet Tastings grundsätzlich mit 8 Drams aus, und dies war eines der beiden Specials.

Und die ersten Gerüche aus dem Glas sind direkt sehr spritzig-frisch. Ananas, Kiwi. Etwas Heu und grasige Noten. Etwas kantig und kein alltägliches Profil.

Im Mund führt sich dies fort – ein deutlicher Kräutereinschlag wie Kerbel und Majoran. Dezente Fruchtnoten bilden einen Kontrastpunkt, mit Pfirsich und Litschi. Etwas Milchschokolade und würzige Eiche.

Mittellang, und mit herben Kräutern, klingt der Whisky aus. 87/100

Nach den beiden ersten Whisky, die von Gordon Muir mit interessanten Informationen gespickt wurden, gab es dann den ersten Gang: Thunfisch-Tartar mit Avocado und Sesam. Der Fisch war sehr gut und wurde von Avocado und Sesam gut begleitet.
In der Zwischenzeit konnte man auch den dritten Dram lüften und Gordon Muir zuhören, welcher von seiner Kindheit in Inverness erzählte. Aus diesem Ort kam der dritte Whisky, nämlich ein

Die Flasche des Glen Mhor, ein 1982er Jahrgang

Glen Mhor 1982, 40 Jahre (2nd fill Sherry Hogshead)

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Der Glen Mhor startet mit Nuss-Nougat und Schokoraspeln in der Nase, mit etwas Brombeere. Walnuss. Spannend sind hier noch rustikale Geruchsnoten: etwas staubiges, eine alte Werkstatt, Kupferblech.

Ein cremiger, schokoladiger Antritt bringt direkt Beerennoten und vollreife Kirschen an die Zunge. Trockene, fast mehlige Äpfel, dabei Mürbeteig. Und die Extra Portion Kirsche mit Kirschmarmelade.

Der Abgang ist mittellang, klingt hauptsächlich fruchtig mit einer Spur Eichenwürze aus.

90/100

Hiernach eine weitere Essenspause: Steinpilzrisotto mit Wachtelbrust und Parmesan-Espuma. War auch wieder sehr gut, ein Lob an den Koch! Und die Portionsgrößen waren für mich auch optimal.

Auf dem Bild ist eines der Gerichte, das Steinpilzrisotto mit Wachtelbrust und Parmesan-Espuma, zu sehen.

Als vierter Dram wurde ein Whisky aus einer Brennerei mit interessanter Geschichte und Architektur aufgetischt:

Lochside 1981, 40 Jahre (Refill Sherry Hogshead)

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In die Nase steigen sofort tropische Fruchtaromen auf. Getrocknete Mangostreifen, Papaya, Pithaya und Maracuja. Die Früchte sind mit einem würzigen Waldhonig glasiert, und Mandelstifte sind darübergestreut. Aus dem Hintergrund steigen dunkle Früchte empor und es gesellt sich auch Haselnuss dazu. Eine leichte Mentholnote frischt die Nase zusätzlich auf.

Im Mund tritt der Lochside sanft an und wird etwas funky. Zu den auch hier schmeckbaren tropischen Früchten gesellen sich plötzlich Gewürze, die man dort eher nicht erwartet, wie Dill. Im Obstkorb liegen auch ein paar leicht angegorene Früchte. Diese untermalen nur, dominieren nicht, was den Whisky sehr spannend macht. Leichte Nussigkeit auch hier, Tabak und dunkle Beeren.

Die dunklen Früchte nehmen im Abgang dann auch mehr Raum ein, auch Walnuss und zum Abschluss wird es leicht bitter mit Kaffee.

92/100

Und schon gab es den Hauptgang: Hirschrücken mit Selleriepürree, mariniertem Spitzkohl und Herzkirschen-Jus. Auch das hat genau so gut geschmeckt, wie es sich anhört. Ich hatte anfangs etwas Sorge, ob Hirsch nicht doch etwas kräftig im Line-Up ist, da direkt darauf ein St. Magdalene folgte. Diese war aber unbegründet.

Der Hauptgang, Hirschrücken mit Selleriepürree, mariniertem Spitzkohl und Herzkirschen-Jus
Die edel aussehende Flasche des 1982er St. Magdalene

St Magdalene 1982, 39 Jahre (Refill american oak hogshead)

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Schon nach dem ersten Riechen habe ich hohe Erwartungen. Zitronenkuchen, Zitronengras, Wachs und Paraffin, dabei Honigdragees. Vanillepudding mit Zimt, Birnenkompott. Ein Rosengarten in voller Blüte, aus dem Nachbargarten kommt Heugeruch.

Im Mund merke ich als erstes etwas, das ich bei den wenigen weiteren Magadalenes ebenfalls hatte: Ein stark alkoholisch-pfeffriger Start im Mund. Das legt sich aber rasch, und es kommen Kamillentee, Zitronenrolle und Honigbonbons hervor.  Rapsöl und leicht grasige Noten. Pfirsiche und Birnen, Kräutertee mit Honig. Ein schöner öliger Körper trägt diese Aromen.

Im Abgang dann mit Honig überzogene Birnen. Mittellanger Abgang, leicht kräutig ohne trocken zu werden.

92/100

Und auf diesen tollen Whisky folgte das Dessert. Ein Brownie von der Valrhona Schokolade mit Weihnachtsmandel-Eis & Bratapfelkompott. Auch wieder unglaublich lecker, auch wenn ich es zwischen den beiden Whisky fast etwas zu geschmacksintensiv war. Zum Glück gab es eine ordentliche Pause und immer Brot zum Neutralisieren. Daraufhin gab es dann einen

Der 1987er Strathisla , 33 Jahre in einem wiederbefüllten Fass gereift

Strathisla 1987, 33 Jahre (Refill american oak hogshead)

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Nach dem Einschenken zunächst dezent Lösungsmittel (Möbelpolitur) und leicht holzige Noten.

Mit etwas Luft kommt grüner Apfel, Birnenkompott mit etwas Rosinen. Walnuss und Haselnuss, Schoko-Cookies. Süße von dunklem, herben Waldhonig. Zum Kontrast Noten von grünem Tee, vor allem nach etwas Zeit im Mund wird er trockener mit Süßholz, Gewürznelken und Kardamom.

88/100

Auch der 1982er Convalmore ist in der schicken Flasche der Private Collection

Convalmore 1982 40 Jahre (2nd fill american oak hogshead)

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Der Malt hat kräftige Holzgerüche, wie in einer Schreinerei. Zum Kontrast spritzige Noten von Ananas und getrockneter Zitronenschale. Nelken, Piment und gestoßener Pfeffer runden die Nase ab. Im Mundraum schiebt er zum Anfang würzig und adstringierend. Ein Kräutergarten, mehliger Apfel. Herbe Holznoten lassen den ganzen Mundraum leicht zusammenziehen. Auch im Abgang trocken, Espresso und Backkakao, welche ein fast leicht pelziges Mundgefühl hinterlassen.

86/100

Und dann gab es auch, wieder neben vielen Anekdoten, den letzten Dram des Abends:

Und zuletzt das Flaschenbild des 1975er Banff, auch dieser in der Private Collection abgefüllt und in einer geriffelten Flasche untergebracht

Banff 1975 46 Jahre (Refill american oak hogshead)

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Die Nase ist für 46 Jahre erstaunlich frisch. Ein Geruch wie eine Blumenwiese im Frühling, etwas Heu. Fruchtkompott, Honig und Propolis. Sesamöl und Zitronentörtchen. Apfelstrudel und Vanilleplunder. Und ein leichter Hauch von frischem Leder.
Die ersten Sekunden des Malt im Mundraum wirken noch leicht trocken und ein wenig pfeffrig, doch danach entfaltet sich eine schöne Fruchtsüße. Heimische Früchte (Apfel, Birne, Pfirsich), dazu dunkler Waldhonig und getrocknete Mangostreifen. Es finden sich aber auch geröstete Nüsse, feuchter Shishatabak (Sorte Doppelapfel) und würzige Eiche, die sich mit Nelken und Estragon bemerkbar macht.
Der Ausklang ist mittellang, die Frucht klingt ab und eine trockene Würze bleibt im Mundraum, ohne jedoch zu holzig oder trocken zu werden.

93/100

Abgeschlossen wurde der tolle Abend mit einem Voting über den Lieblingswhisky der Teilnehmer*innen und Abschiedsworten von Gordon Muir. Vielleicht wird es in diesem Jahr eine Wiederholung geben, schön wäre es jedenfalls.

Mehr zu: Banff, Convalmore, Glen Mhor, Imperial, Lochside, Longmorn, St. Magdalene, Strathisla

Samples privat gekauft | Bilder mit freundlicher Genehmigung der Whiskybase