Lagavulin der Moderne
Ein hochtrabender Titel für meine kleine Session. Dabei will ich eigentlich keine großen Anleihen an irgendwelche Kunstepochen oder dergleichen machen. Allerdings höre ich immer wieder Sätze wie „früher waren die Abfüllungen doch viel besser“. Kennt ihr bestimmt auch. Heute schaue ich mir Abfüllungen aus den letzten sieben Jahren an. Was können diese? Dabei haben wir drei Bourbon Casks und drei aus „anderen“ Fässern. Fünf sind Originalabfüllungen, eine ist unabhängig abgefüllt. Eine Standardabfüllung ist dabei und fünf limitierte Abfülllungen. Macht insgesamt sechs, wie ihr bestimmt mitgezählt habt. 😉
Lagavulin 12-year-old Special Release 2021
Seit längeren Jahren gibt es eine Konstante in der Special Release von Diageo: Ein 12 Jahre alter Lagavulin in Fassstärke. 2021 stammt die unbekannte Anzahl von Flaschen aus Refill Casks. Abgefüllt wurde mit 56,5% Link zur Whiskybase
Nase: Sehr viel Torf und auch zermatschte Früchte. Am Meer wird ein Weg geteert. Es spült Seetang an den Strand. Ein Hauch von Kuhstall weht landseits herein.
Mund: Zu Beginn ein Kombination von Zitrus und Torfrauch die mich eher an Caol Ila erinnert. Dann wird es erdig und kräutrig, auch würzig. Die Zitrone weicht einem Pfirsich.
Abgang: Torfig süß mit viel Zitrusfrüchten. Ganz kurz kommen ein paar Erdnüsse, die werden von Tinktur weggespült. Dann wird es aschig und trocken mit der Zeit und auch salzig, Muss man gleich nochmal Nachtrinken. Ein Teufelskreis.
Fazit: Ein sehr sauberer Bourbon Style Lagavulin. Hatte ich noch nicht oder zumindest nicht so oft. Lecker und mit Potential zum „Daily Dram“. Dafür ist er aber leider wohl zu teuer. 89/100
Lagavulin 12-year-old Special Release 2015
Auch wenn das Label noch klassisch ist, ich denke man kann 2015 noch zur Moderne rechnen. Und ein Vergleich bietet sich an, denn auch dieser 12-jährige ist im Rahmen der SR von Diageo erschienen. Mit 56,8% abgefüllt aus einer beliebigen Menge Refill Bourbon Casks. Laut Whiskybase ist die Abfüllung übrigens gefärbt. Ich kann dem Label nichts dergleichen entnehmen. Link zur Whiskybase
Nase: Direkt nach dem einschenken eine dreckige und nussige Note. Über Kohlen geröstete Erdnüsse. Dann geht es schnell zu eher grüne, auch käutrige und farmigen Noten so wie einer Ozeanbrise. In der dritten „Stufe“ kommt dann der Torf stärker zur Geltung und es kommen fruchtige, vor allem helle und gelbe, Noten dazu.
Mund: Sofort packt er an und nimmt die Zunge in Gefangenschaft. Zitrusschärfe breitet sich prickelnd aus. Mit ein paar Umdrehungen und etwas Speichel wird es dann milder, bleibt aber ausdrucksstark. Torf, Vanille und Zitrus auf Meeresfrüchten. Ein leicht glimmendes Lagerfeuer und etwas Menthol.
Abgang: Direkt beim Schlucken kommen die Nüsse nochmal auf. Diesmal mit Chili. Was dann bleibt ist trocken, mit Birne, Rauch und Asche. Etwas Salz und Seetang darüber. Er bleibt lang, wenn auch vielleicht weniger lang als ich mir vielleicht wünschen würde.
Fazit: Auch hier hatte ich einen tollen Vertreter von Bourbon Lagas im Glas. Ich bin geneigt, im direkten Vergleich, hier ein Pünktchen mehr zu vergeben. Das sind aber sicher nur Nuancen und es vielleicht auch Tagesform. 90/100
Lagavulin Lg5 – Speciality Drinks
Den Reigen der Bourbon Cask Abfüllungen schließen wir mit einem Indie-Bottling. Es gibt nicht viele davon, bei denen auch der Name wirklich drauf steht. Bei dieser Abfüllung der Elements of Islay Serie ist das auch nur indirekt. Lg steht als „islay-chemisches Element“ für Lagavulin. Die 50cl Flaschen von unbekanntem Alter wurden auch 2015 abgefüllt. Über die Anzahl der Fässer weiß man nichts, nur dass es Refill Hogsheads waren und das Ergebnis 54,8% hat. Link zur Whiskybase
Nase: Extrem würzig und fast beissend für einen kurzen Moment. Das legt sich dann und gibt ein loderndes Lagerfeuer frei. Dazu noch Jod und Malz. Zerriebene Muscheln und etwas Zitrone. Pfeffer darüber.
Mund: Als erstes fällt mir die Textur auf. Im Vergleich zu dem Antritt in der Nase ist das fast schon mild. Auch der Torf ist mild, eher maritim. Mit Seetang und Gischt. Das Lagerfeuer ist nun längst aus. Etwas metallisches und mineralisches finde ich auch noch. Die Zitrone ist zurück.
Abgang: Wärmend mit einem Hauch Ingwer und Limette. Der Torf ist deutlich in die zweite Reihe gerückt. Dafür kommt etwas Honig und Wachs dazu. Hat da jemand ein Achtel-Fass Clynelish rein geschüttet? 😉
Fazit: Als ich ihn zum ersten mal probiert habe, im Herbst 2019, da fand ich ihn noch ein wenig besser als heute. Aber das ist schon leckeres Zeug, ohne Frage. Ich glaub alle drei im Bourbonfass gereiften sind auf sehr hohem Niveau und einzeln verkostet wäre ich vielleicht auch hier wieder bei mehr Punkten. Im direkten Vergleich 88/100
Lagavulin 2006 Distillers Edition
So, Zeit die Fässer zu wechseln. Es ist lange her, dass ich die Distillers Edition im Glas hatte. Doppelt gereift, unter anderem in PX Fässern und dann mit 43% in 2021 abgefüllt. Mit dem Destillationsjahr 2006 ergibt sich ein Alter von 14-15 Jahren. Leider sind die Abfüllungen kühlfiltriert und gefärbt. Link zur Whiskybase
Nase: Intensiv süße Dünste steigen auf. Vergorene Früchte, vor allem Pfirsich. Vermengt mit angeröstetem Tomatenmark. Torfrauch und Lagerfeuer in das Jod gekippt wird.
Mund: Bitterstoffe aus Fruchtschalen werden von malzigen Säften ausgelöst. Über Torffeuer rösten Apfelscheiben. Eine Kirschcola, in der Trockenfrüchte langsam zersetzt werden.
Abgang: Metallisch und immer noch sehr fruchtig und auch würzig. Viele Bitterstoffe kommen dazu. Kaffeemehl vor allem. Die intensiven Noten bleiben schon länger, die Trinkstärke steht einem Crescendo aber trotzdem im Weg.
Fazit: Ich hatte ihn in guter Erinnerung. Er ist auch heute nicht schlecht. Zuweilen vielleicht ein wenig eigenwillig. Sehr solider Lagavulin-Stoff. 85/100
Lagavulin 11-year-old Offerman 2nd Edition
Eine dem Comedian Offerman gewidmete Abfüllung. Mit einem Finish in Guiness Stout Fässern. Nach 11 Jahren und mit 46% abgefüllt. Es ist nicht bekannt wieviele Flaschen abgefüllt wurden. Natürlich ist das ganze mit ordentlichem Marketing und Hype versehen. Link zur Whiskybase
Nase: Guiness in meinem Whisky
Mund: auch
Abgang: auch
Fazit: Do not want.
Ok, jetzt nochmal richtig. Nase: Würzige Noten bis hin zu Pfeffer, der sich fast beissend festhängt. Das wird mit der Zeit etwas besser. Dann kommt ein süßlicher Sud, Schokolade und alte (!) Rosinen. Torf und Rauch sind eher zurückhaltend. Das ist eher angebrannter Kaffee.
Mund: Helle Früchte, die in einem Glas Stout eingelegt wurden. Dann kommt etwas Würze und auch süßlicher Torf. Insgesamt relativ dünn, wenn auch die Aromen intensiv sind.
Abgang: Schokolade und Kaffee im Topf erwärmt und dann reduziert bis es anbrennt. Dann wird es torfig und trocken auf der Zunge. Geräucherte Birne.
Fazit: Nein, tut mir leid. Das kann gerne jemand anderes trinken. Und ich hab es mehr als einmal versucht. Technisch könnte ich vielleicht mehr Punkte geben aber das möchte ich nicht. Vielleicht ist das aber auch Satire? Egal. 70/100
Lagavulin 13-year-old Jazz Festival 2021
Zum jährlichen Jazz Festival auf Islay gibt es immer eine Abfüllung von Lagavulin. Dieses Jahr ist die Abfüllung auch totaler Jazz. 13 Jahre, 54,8%, 3000 Flaschen. Kein Jazz? Na aber die Fässer. Mezcal. Aber natürlich nur als Finish. 13 Jahre darf man ja diese Fässer lt. SWA noch gar nicht verwenden. Link zur Whiskybase
Nase: Leicht rauchig geht es los. Dann kommen ungewöhnliche Noten dazu. Pomelo, Vanillejogurth und Sezchuanpfeffer. Ein paar Tropfen Olivenöl darüber. Das ist trotzdem weit weniger wild als es sich vielleicht liest.
Mund: Irgendwo zwischen Haribo Tropifrutti, einem leicht getorften maritimen Malt (Talisker z.B.) und einem jungen Islaybottling. Dabei ist er recht flüssig bis leicht ölig. Eklektisch, untypisch aber nicht unlecker.
Abgang: Im Abgang spielt dann nicht mehr die große Musik. Eher reduzierter Jazz. Holznoten kommen noch dazu und es bleibt weder lang noch laut.
Fazit: Man kann ihn mit ein paar Musikmetaphern versehen und sicherlich ist das ein schönes Experiment. Allerdings überzeugt er mich letztlich nicht für überschwängliche Oden an die Whiskyfreude. 86/100
Heute ist alles gut!
Nein nicht alles. Schon klar. Allerdings gibt es auch weiterhin echt gutes Zeug, den Offermann für mich persönlich mal ausgespart. Die Bourbonreifungen sind wirklich sehr gut. Ich habe allerdings schon das Gefühl, dass die Core Range ganz langsam ein Stück abfällt. Man muss die limitierten Abfüllungen kaufen, um an den Nektar zu kommen.
Money, it’s a gas. Grab that cash with both hands and make a stash.
Pink Floyd – Money
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Bilder: Eigene Anfertigung und freundliche Überlassung der Whiskybase
Samples: Eigene Flaschen oder im Handel und privat gekauft
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