Ammoniak
Im Französischen bin ich eigentlich nicht so zuhause, und als ich kürzlich mit unserem Restaurantleiter über meine neuesten Errungenschaften sprach, kam die vorsichtige Frage eines zufällig mithörenden Kollegen, ob wir wirklich und ernsthaft Ammoniak zu uns nähmen. Beruhigend konnten wir aufklären, dass sich das Gespräch um etwas deutlich Harmloseres drehte, nämlich Weinbrand aus der französischen Gascogne. Wenn man denn seinen geschmacklichen Horizont abseits des Whiskys erweitern möchte, stellt man schnell fest, dass Weinbrände wie Cognac und Armagnac viele hochwertige Alternativen zu bieten haben. Zur Herstellung von Weinbrand in aller Kürze: Wein wird destilliert und für eine gewisse Zeit in Eichenfässern gelagert. Im Fall von Armagnac sind die Vorschriften bei einigen Produktionsaspekten (wie Anbaugebiet, verwendete Rebsorten, Mindestlagerzeit usw.) natürlich enger gefasst. Hinzu kommt in der Regel eine ähnlich lange Reifezeit wie bei Whisky. Weitere Facts über Armagnac:
- Der zu brennende Wein darf mit Kräutern, Haselnüssen und Pflaumen versetzt werden.
- Armagnac darf sowohl einfach mit Column-Stills (in der Praxis ca. 95%) als auch zweifach mit Pot-Stills (ca. 5%) destilliert werden.
- Im Gegensatz zu Whisky erfolgt das „Finish“ zu Beginn der Lagerzeit: Die Erstbefüllung erfolgt immer in frische Eichenfässer und sobald der Brand in kurzer Zeit viele Aroma- und Gerbstoffe aus dem Holz gelöst hat, wird in gebrauchten Fässern fertiggereift.
- Armagnac vollendet sein erstes Reifejahr bereits am 1. April nach der Lese.
Einige interessante Armagnacs sind mir also ins Netz gelaufen:
Baron de Lustrac 1938
Ein Millésime, ein Jahrgangsarmagnac also. Alle Bestandteile wurden in 1938 destilliert. Abgefüllt wurde in 2001 mit einem Alkoholgehalt von 40%. Baron de Lustrac ist ein Haus, das Produkte von ca. 20 benachbarten Gütern bezieht und dann unter eigenem Label abfüllt.
Nose: Schwere Aromen nach reichhaltigen Trockenfrüchten steigen auf. Namentlich sind dies neben Rosinen und Pflaumen auch Kirschen, Aprikosen, Birnen und Feigen. Sonst noch was? Ja, hinter den Früchten sind die Plätze sowohl dicht besetzt als auch in Honig getaucht: Haselnüsse und Marzipan, Kräuter, Eichenholz und vieles mehr. (91)
Taste: Hier bekommt man etwas mehr vom Eichenholz mit, man spürt richtig die rohen Dauben und die Gerbstoffe im Mund. Trotzdem immer noch sehr weich und fruchtig, viele Trauben und Pflaumen. Der nussige Touch ist ebenfalls vorhanden, zusammen mit etwas Schokolade und Tabak. (90)
Finish: Das Eichenholz tritt fast schon herb in Erscheinung, aber immer noch auf der angenehmen Seite. Die Trockenfrüchte und Nüsse traben virtuos in der Ferne, es ist eher die Schokolade, die im Vordergrund tätig ist. (88)
Fazit: Wahnsinnig gut aufeinander abgestimmt und fast schon fehlerlos. Einerseits sehr elegant und andererseits sehr voluminös, gerade mit Blick auf die Alkoholstärke. Hintenraus nicht ganz so komplex.
Baron de Lustrac 1935
Der selbe Abfüller, gleicher Alkoholgehalt, andere Lagerzeit: 1935 bis 1995. Wie beim 38er steht auf dem Etikett „Appellation Armagnac Contrôlée“, was bedeutet, dass die verwendeten Weine aus mindestens zwei der drei Anbaugebiete der Gascogne – Haut-Armagnac, Armagnac-Tenarèze, Bas-Armagnac – stammen.
Nose: Als erstes treten Nüsse und Butter auf den Plan, im weiteren Verlauf ein Hauch von Schuhpolitur. Feine Säure verbindet sich mit schwerer Öligkeit, sirupartige Süße nach gezuckerter Molasse mischt mit. Rosinen und Backpflaumen kommen deutlich zur Geltung. (85)
Taste: Butter und prägnante Backpflaumen, ein hervorragendes Wechselspiel aus fruchtiger Süße und feiner Säure. Leicht schokoladig kann er mit Rosinen und getrockneten Aprikosen punkten. Eichenholz und Zimt, Leder und Tabak zeugen von der langen Reifezeit. Insgesamt extremst ölig und schwer. (90)
Finish: Haselnüsse und Pflaumen leiten einen sanften, aber langanhaltenden Nachklang ein. Eichenholz ist einiges vorhanden, Spuren von Blut und Trockenfrüchte wie Feigen und Rosinen ebenso. (89)
Fazit: Zwei Gesichter. Im Glas wirkt er noch vergleichsweise müde und unausgewogen. Beim Trinken prescht er dann aber vor und liefert einen mitreißenden Auftritt ab. Spannende Aromen und abgestimmte Details.
Marcel Trépout 1925
Marcel Trépout ist einer der bekanntesten und renommiertesten Abfüller von Armagnac, welcher noch viele alte Jahrgänge liefern kann. Hier ebenfalls ein einzelner Jahrgang, 1925, mit der Besonderheit, dass mit 38,2%Vol. unter den vorgeschriebenen 40%Vol. abgefüllt worden ist. 38,2%Vol. Daher der Zusatz „Fine“ auf dem Etikett, welches auf die geringe Stärke hinweist.
Nose: Staubig und ölig, mit sehr dichten Strukturen bekommt man es zu tun. Die Rosinen und Pflaumen kommen richtig intensiv und saftig rüber. Süße und salzige Elemente tanzen miteinander, gelegentlich buttrige Noten und Orangen lockern auf. (88)
Taste: Wirklich sehr fruchtig mit Trockenpflaumen und Kirschen, im Prinzip ein extrem aromatischer Likör. Eichenholz ist gar nicht so viel da, aber dafür trockene Gewürze, fein gemahlen. Nüsse, Leder und Tabak spielen ständig mit den Geschmacksknospen. (89)
Finish: Eher elegant als wuchtig. Die Trockenfrüchte setzen sich noch einmal auf die Eichenholzbank, sie sind gekommen, um zu bleiben. Bei den Gewürzen verhält es sich genauso. (88)
Fazit: Kann jetzt nicht mit der ganz großen Komplexität aufwarten, die man sich von so alten Tropfen vielleicht erhofft. Aber die Ausdrucksstärke ist beachtenswert.
Was soll ich sagen? Es lohnt sich definitiv, diese „Nische“ in der Spirituosenlandschaft einmal auszutesten. Es gibt auch tolle Armagnacs, die preislich nicht so aus dem Rahmen fallen. Ich mag die Art, wie die Trockenfrüchte von diesen Armagnacs in Szene gesetzt werden. Mehr als das bei vielen Whiskys mit Süßweinfassreifung der Fall ist.
Samples privat gekauft | Bilder eigenangefertigt bzw. mit freundlicher Genehmigung von Robin aka Gratwanderer
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