Sinn und Wahn: Über Regulierungswut

Ich bin wirklich ein großer Fan der europäischen Gemeinschaft. Ich denke auch nicht das sie gescheitert ist. Oder ich hoffe es zumindest nicht. Ich wünsche mir im Gegenteil sogar, dass sie viel mehr wird als ein gemeinsamer Raum für Wirtschaftsinteressen. Das ist sie zugegebenermaßen heute wohl am ehesten. Harmonisierung der EU-Binnenmärkte ist hier das Stichwort. Oder Unwort. Dadurch sind nämlich viele sinnige und unsinnige Regelungen entstanden. Mitunter die Krümmung der Banane und die Länge der Gurke mussten dringend reguliert werden. Diese (scheinbar) lustigen Auswüchse gibt es nicht nur im Lebensmittelhandel, sondern natürlich auch bei alkoholischen Getränken. Und so möchte ich mich heute einem weiteren absurden Thema widmen:

Council Regulation (EEC) No 1576/89 of 29 May 1989 laying down general rules on the definition, description and presentation of spirit drinks

Hier Artikel 7 2.d):  Altersangaben bei Destillaten. Sicherlich ein Randthema unter vielen anderen. Ebenda gibt es aber einen Hersteller (Compass Box Whisky), noch alleine auf weiter Flur, der sich im Februar 2016 aus der Deckung gewagt hat und einen Vorstoß machte.

Aber von Vorne: Schnapsbrennerei im Allgemeinen und Whiskybrennen im Speziellen sind traditionell stark regulierte Herstellungsverfahren. Das hat mitunter historische Gründe, nicht zuletzt weil die Brennerei und der Alkohol durch die Prohibition lange illegal waren. Heute sind wir weit weg davon. Allein schon die Steuereinnahmen, die man sich dadurch sichert, möchte ja keiner missen. Aber die Art und Weise wie reguliert wird stammt zum Teil noch aus dieser Zeit.

So dürfen Destillate nur eine Angabe zum Alter des jüngsten verwendeten Inhaltsstoffs enthalten. Das soll verhindern, dass man durch Beigabe homöopathischer Dosen gereifter Brände junge Destillate auf dem Label aufwerten kann. Somit kann man also z.B. einen Whiksy nur als 40-jährig verkaufen, wenn der jüngste verwendete Bestandteil 40 Jahre im Fass gereift ist. So weit so plausibel. Das verhindert das Verbraucher damit hinters Licht geführt werden. Das führt aber zu einem Effekt, den ich nicht verstehen mag. Man darf das Alter und die Menge der Komponenten nicht vollständig auf der Flasche abdrucken. Hier der Originaltext von Compass Box:

We were recently informed that the way we’ve been communicating information about the age of the components in our whiskies is illegal. By sharing the entire recipe – by offering complete transparency around the age of each component whisky – we have been breaking EU regulations governing the marketing and promotion of spirits

D.h. es ist aktuell nicht zulässig den vollständigen Inhalt und das Alter eines Blends oder Vattings offen zu legen. Folgende Möglichkeiten hat ein Abfüller stattdessen, um innerhalb der Regulierung zu bleiben:

1. Age Statement
Age of youngest spirit only displayed on packaging and marketing materials.
2. No Age Statement (NAS)
No information regarding age anywhere on pack or in marketing materials.

Also entweder Altersangabe wie oben beschrieben oder keinerlei Altersangabe auf Verpackung oder Werbematerial. Compass Box verkauft hauptsächlich Blends. Sie könnten sich somit eigentlich schön verstecken und die Inhalte verschleiern. Hauptsache es schmeckt, gell? Und der Erfolg gäbe ihnen Recht. Sie verkaufen mittlerweile reihenweise NAS Blends zu Preisen, da treibt es anderen Abfüllern und auch den Konsumenten die Tränen in die Augen. Sie scheinen da was richtig zu machen. Ich muss zugeben ihre Flamming Heart Reihe schmeckt auch mir wirklich gut. Aber sie möchten dennoch gerne eine dritte Möglichkeit schaffen:

3. Full Disclosure
An amendment to the current regulations that would allow producers the freedom but not the obligation to provide complete, unbiased and clear information on every component whisky in their product – with or without a headline age statement outlining the age of the youngest spirit.

Sie wollen also für mehr Transparenz sorgen. Den Inhalt in %-Anteilen und exakten Altersangaben aufschlüsseln dürfen. Aber die Abfüller nicht dazu zwingen es zu tun. Wer nicht will bleibt bei NAS. Klar das ist nicht ohne Hintergedanken: Ich geh davon aus Compass Box kann relativ problemlos offenlegen was sie verwenden. Vielleicht im Gegensatz zu manchem Konkurrenten?
Trotzdem muss ich aus der Sicht der Konsumenten sagen: Ich mag den Vorschlag. Denn ich denke eine solche Regelung wird dem Konsumenten Macht geben. Außerdem wird sie vielleicht dazu führen, dass die großen Konzerne etwas mehr Offenheit zeigen. Weil es die Konkurrenz auch tut. Die heutige Alternative NAS ist eher nicht meine Welt, ich weiß gerne was genau ich trinke.

Slainté

P.S.: Wer sich noch weiter über Details informieren oder Compass Box bei ihrem Vorhaben unterstützen möchte: Hier entlang.

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.