Ein Kaffee als Spiegel der Gesellschaft?
An der Marke Nespresso scheiden sich schon immer die Geister. Exklusivität wird vermittelt durch die Fokussierung auf Design und nicht zuletzt durch die Mitgliedschaft in einem Club, ohne den man die Kapseln gar nicht erst kaufen kann. Dann gibt es da natürlich auch die Diskussion um Nachhaltigkeit und Gesundheitsaspekte. Der wertvolle und seltene Rohstoff Aluminium umgibt jede einzelne Einheit, also jede Tasse Espresso oder Kaffee. Bei der Zubereitung wird das Aluminium dann auch noch durchstoßen, was einen Aluminiumeintrag in den Kaffee unvermeidlich macht. Verschiedene Studien untersuchen einen Zusammenhang zwischen Demenz und kontinuierlicher Aluminiumaufnahme. Bei Dialyse-Patienten ist die negative Auswirkung einer Aluminiumvergiftung nachgewiesen.
Letztlich ist das Konzept Nespresso aber dennoch ein Erfolg. Aus verschiedenen Gründen. Der Kaffee ist wohl nicht ganz schlecht. Die Möglichkeit auf Knopfdruck einzelne Tassen zuzubereiten lockt. Gleichzeitig bleibt man nahezu wartungsfrei, ganz im Gegensatz zu den meisten Vollautomaten. Und ganz ehrlich, für viele Kunden ist der exklusive Lifestyle (wenigstens heimlich) gern geduldet. Für manche sicherlich sogar Kaufargument.
Genau an diesem Punkt setzt Nespresso auch weiterhin an. Auf dem gleichen Weg, der unsere Gesellschaft dorthin gebracht hat, wo Veganismus für manche ein Lifestyle ist, der das eigene Wohlhaben unterstreicht. Begonnen hat es für mich an dem Punkt, an dem eine Maschine für den Kapselkaffee auf den Markt kam, bei der man die Seitenplatten austauschen kann. Mit dem Ziel sie farblich passend in die eigene Umgebung einzufügen. Aus Produktionsgesichtspunkten scheint das sinnvoll. Ist sicherlich einfacher nur die anklippbaren Platten in unterschiedlichen Farben zu produzieren. Die Idee von Nespresso geht aber weiter. Der Kunde soll sich möglichst viele der Farben anschaffen, soll sie wie Kleidung und Dekoration passend zur Stimmung, Jahreszeit, … wechseln. Puh.
Aktuell erreichen wir dann den bisherigen Höhepunkt. Eine limitierte Edition, ein spezieller Kaffee, der nur für begrenzte Zeit verfügbar ist. Das gab es schon öfter. Was dieses Mal anders ist, es ist ein Vintage Grand Cru. Ein Jahrgangskaffee. Das Kaffee gereift werden kann zweifle ich nicht an. Das haben sicher Nespresso aber auch andere schon geprüft. Aber das ist an dieser Stelle egal. Es geht nur darum ein Stück Exklusivität zu verkaufen und dazu ist jedes Mittel recht. Sieht man auch am Releaseevent in Deutschland. Alleine die Idee Kaffee und Whisky im Foodpairing (Drinkpairing?!) finde ich schon begrenzt geeignet. Die Bitterstoffe des Kaffee machen hier sicher einen guten Teil eines jeden Whisky platt. Das perfide daran ist aber meiner Meinung nach die implizite Nähe, die über die Reifung suggeriert wird. Der Whisky wird lange, mitunter Jahrzehnte, und mit dem Kontakt zum Holz gereift. Damit hat die Reifung von Kaffee genau gar nichts zu tun. Da wäre er einfach nach zwei Wochen durch!
Ich gebe zu, dass ich selbst Nespresso Kunde bin. Ich hab auch den Espresso Vintage 2014 probiert. Er ist ohne Frage lecker. Nicht herausragend, aber lecker. Aber das ist nicht der Punkt, sondern die Marketing-Blase, die das Produkt auffrisst. Sollte ich demnächst auf einen anderen Kaffee und eine andere Zubereitung umsteigen, diese limitierte Edition war sicher ein Baustein für eine solche Entscheidung. Die Erkenntnis, dass mir hier jemand Schwachsinn für Gold verkaufen will, nagt!