Trifft der Düderler den Uflat im Fyschtern – Teil 2 zum Brauereibesuch bei „Mein Emmental“
Beim Brauseminar in der Brauerei „Mein Emmental“ kamen wir aus dem Staunen nicht mehr raus. Und wenn der Mund zu lange offen steht bekommt man Durst. Deshalb lassen wir uns von Evi Locher in die Biervielfalt, die ihr Mann kreiert, einführen.
Sie bittet uns an den Tisch im Verkaufsraum, wo schon einige lokale Snacks vorbereitet sind. Unter anderem natürlich Käse und Brot aus der Region. Das war auch alles lecker, aber darum soll es in diesem Beitrag gar nicht gehen. Die Hausherrin zeigt uns zunächst was wir alles verkosten werden. Da die Biere alle berndeutsche Namen tragen bitten wir Sie um diese auch immer zu übersetzen. Dann kann es auch schon los gehen.
Aperöli – belgisches Wit
Gleich beim ersten Bier klappt es nicht mit der Übersetzung. Aber irgendwie erschließt sich die Bedeutung: es geht um einen Aperitif. Die Wohnschweizer und die Emmentalerin erklären uns Urlaubern das man hier den „Apero“ kennt. Zu dem trifft man sich um kurz zu plaudern und anzustoßen. Ohne spezifischen Grund oder Tageszeit. Könnte ein Grund für die entschleunigte Gemütlichkeit der Schweizer sein, nicht wahr? 😉
Nase: Orangenschale, Koriander, Hefe
Mund und Abgang: Leichte Süße und Mandarine
Ein Aperitivbier also. Ein echtes Konzeptbier. Bei mir kommt das gut an. Das ist leicht und trinkig. Ich würde es wirklich in Sektkelchen zum Aperitif servieren. Aber ganz unaufgeregt, ohne viel zu erklären. Einfach zuprosten, freuen und gespannt sein wie der Abend weiter geht. 85/100
Ä Düderler – Weizen
Nase: Riecht nach den Streifen der Bananenschale, die an der Banane hängen bleiben.
Mund und Abgang: Das mag jetzt vielleicht arrogant klingen, aber für einen Bayern ist das ein leichtes Weizen. Nicht wegen dem Alkoholgehalt, sondern weil da die Stoffigkeit, die Hefe, das Bananige total im Zaum gehalten wurden.
Übersetzt wird der Düderler als der Schönredner. Ist sicher anders gemeint, aber als Weizen muss man sich das Bier wohl ein wenig schön reden. Als leichtes, trinkiges Bier kann man es aber durchaus genießen. 75/100
Ä Honigtroum – Bier mit Blütenhonig
Nase: Honig – wer hätte das gedacht? Aber der Geruch ist spezieller. Es riecht so wie ein neues, großes Glas Honig. Und zwar genau dann, wenn man es zum ersten Mal öffnet.
Mund und Abgang: Eine schöne Zitrusnote, der Honig ist deutlich dezenter als in der Nase. Das Bier ist nicht direkt süß, wie man vielleicht vermuten würde. Oder von einem Met sogar erwarten würde. Dann gesellen sich noch etwas Bittertöne dazu.
Dem Honigtraum gegenüber war ich skeptisch. Der Einsatz von natürlichen Zusatzstoffen ist wirklich heikel. Das ist hier aber wirklich außerordentlich gut gelungen. Ich kann jeden verstehen, dem das zu weit weg ist von traditionellem Bier. Wenn man aber bereit ist sich zu lösen und es offen zu genießen, dann ist es ein Traum. Weit besser als das Allermeiste was Met einem jemals bieten könnte. 87/100
Ä Plagöri – SHIPA, Citra Hopfen
Die Spannung steigt: Das erste IPA und gleich ein Single Hop. Nur Citra Hopfen wurde verwendet um in Kalthopfung und Flaschengärung das typische Aroma zu erzeugen.
Nase: So! Viel! Früchte! Ein ganzer Obststand exotischer Früchte. Ach was sag ich, ein ganzer Großmarkt! Vor allem ganz viel Mango, reif und unreif. Aber eigentlich vor allem viel. Damit könnte man einen Raumduft für asiatische Restaurants machen.
Mund und Abgang: Leicht süß und bitter, mit etwas Temperatur kommt die Fruchtigkeit durch
Der Angeber. Der Name passt. Du sagst nur mal kurz „Hallo“, mit der Nase am Glasrand und das Plagöri fängt direkt an zu protzen was da für ein geiles Bier da drin ist. Damit hört es dann gar nicht mehr auf, bis du einen Schluck genommen hast und das Glas absetzt. Dann merkt man das es ein wenig zu dick aufgetragen hat. Der Geschmack ist gut – aber er hält längst nicht was der Geruch verspricht. 86/100
Ä Böbu – SHIPA, Motueka Hopfen
Röbu, Böbu, Köbu sind die Namen dreier SHIPA mit exakt gleicher Menge an Zutaten, nur die Hopfensorte ist unterschiedlich. Namensgeber waren drei Katzen die zu einem Restaurant gehören, in das die Lochers gerne gehen. Es liegt, wie Eveline sagt „am Ende der Schweiz“ (übersetzt heißt das nach deutschen Verhältnissen: über drei Berge (echte, nicht so Hügeli) auf einem Feldweg in ein verlassenes Tal).
Nase: Eher leise, die Fruchtigkeit kommt sehr langsam. Schwierig einzusortieren nach der Fruchtbombe. Vielleicht so wie der Großmarkt von eben, wenn man noch vor der Tür ist.
Mund und Abgang: Erst ganz dezent süß, etwas Honig und dann bitter und trocken. Relativ lang für ein Bier.
Die Geschichte zum Bier, die ich natürlich kaum authentisch wiedergeben kann, ist toll. Geschichten verkaufen Produkte. Das Bier selbst ist sehr solide, aber nicht großartig. 82/100
Ä Uflat – SHIPA, Nelson
Der Unflätige hat ausschließlich Nelson Hopfen im Gepäck. Klar der Name stammt wohl von einer Simpsonsfigur und dieser Nelson ist wirklich ein Rüpel. Es ist tatsächlich das einzige Bier das ich schon zuvor getrunken habe. Doppelt spannend also wie diesmal das Urteil ausfällt.
Nase: Eine unwiederstehliche Kombination aus Vanille und Ananas. Wenn noch etwas Rauch dazu kommen würde könnte man einen Bowmore Whisky vermuten.
Mund und Abgang: Fett und schmelzig im Mund. Das mag ich in letzter Zeit bei Bieren sehr. Die Fruchtigkeit schwenkt jetzt eher zur Stachelbeere. Sie ist aber genauso typisch präsent wie im Abgang die Bittereinheiten.
Ja, das Bier ist toll. Besser als beim ersten Mal. Klar die Geschmacksnerven reagieren nicht jeden Tag gleich. Eine weitere Erklärung hat Stephan schon beim Seminar geliefert: Bei seinem aktuellen Setup ist es unglaublich schwer konstant die exakt gleichen Biere zu reproduzieren. Ich hoffe der Unflätige schmeckt häufiger so wie dieses Mal. Dann müsste man ihn aber vielleicht umbenennen. 86/100
Äs Fyschters – Stout
Zum Abschluss noch ein Stout. Der Name ist Programm: Finster wie die Nacht ist es im Glas.
Nase: Erdiger Espresso und dazu ein Stück Schoki
Mund und Abgang: Leichte malzige Süße danach noch etwas bitter.
Ich bin immer noch kein Stout Fan. Dafür ist es schon lecker und vor allem nicht so süß wie manche andere. 80/100
Fazit: Die Bierauswahl und Reihenfolge hat sehr gut gepasst. Einzig die IPAs hätte ich wahrscheinlich getauscht. Aber das liegt an meiner eigenen Vorliebe. Evi führt mit viel Routine durch die Verkostung, emotionalisiert mit Anekdoten und steigt in unsere Gespräche gekonnt mit ein. Während wir uns auf das Bier konzentrieren klebt sie immer wieder Labels von Hand auf. Noch so ein Details, über das ich bis jetzt kaum hinweg komme. Echte, ehrliche Handarbeit mit Leib und Seele.
Das war alles einfach großartig. Gute Gespräche, tolles Bier und noch bessere Gastgeber. Ein Besuch bei Mein Emmental lohnt sich. Ob für ein Seminar, eine Verkostung, ein paar Bier oder für einen Plausch. 10/10