Tchin-tchin? Gin. Gin!
Vom Gin Tasting im delikatEssen in Nürnberg
Vor ein paar Wochen hatten wir die Gelegenheit eines der letzten Gin Tastings im delikatEssen in Nürnberg zu besuchen. Acht Monate vorher mussten wir buchen und haben die letzten verfügbaren Plätze für jeweils 60€ ergattert. Dementsprechend waren die Erwartungen natürlich groß.
Das delikatEssen ist ein wundbarer Feinkostladen im Herzen des Burgviertels in Nürnberg. Die Inhaberin Romana Schemm hat vor einigen Jahren ihren Mann mit einer Auswahl an Spirituosen am Geschäft beteiligt und damit das Sortiment abgerundet.
Zum Tasting an diesem Freitagabend dürfen 16 Teilnehmer kommen. Frau Schemm führt uns kurz in den Laden und die Modalitäten ein. Wir werden im Stehen verkosten und dürfen zwischendrin einen kleinen Snack aus ihrer Küche einnehmen. Dann darf ihr Mann übernehmen. Er ergänzt noch das wir acht Gins und acht Tonics probieren dürfen. Jeweils in kleinen Mengen. Soll ja kein Besäufnis werden. Jeweils Solo und dann als Kombination. Fördert Verständnis und geschmackliche Erfahrungswelt. Und das wir kein Eis und keine Deko dazu kriegen, denn das Motto ist Gin und Tonics – nicht Gin Cocktail. Hier hat also jemand ein glasklares Bild von den Produkten und dem bevorstehenden Abend. Wir werden einiges lernen.
Normalerweise würde ich vor allem vom Tasting selbst berichten. Aber: Das Ehepaar wird zukünftig nur noch offene Tastings an Samstagen machen. Die Freitagssession wurde ihnen zu aufwendig. Und bevor ich jetzt einen unerfüllbaren Wunsch schüre, weil ich das Tasting zu sehr lobe, konzentriere ich mich lieber auf die Kombinationen an Gin und Tonic. Diese waren so perfekt gewählt, dass muss unbedingt festgehalten werden. Außerdem kann man sie relativ einfach zu Hause selbst probieren.
Windspiel Gin und Windspiel Tonic: Es wäre schon komisch, wenn das hauseigene Tonic nicht zum Gin aus der Vulkaneifel passen würde. Aus eigener Erfahrung muss ich aber sagen, nur wenige Tonics passen überhaupt zu diesem Gin. Die leichten Zitronen- und Ingwernoten drohen viel zu schnell von der bitteren „Limo“ dominiert zu werden. In dieser Kombination bleiben die feinen Aromen aber erhalten. Die Ingwerschärfe wird sogar von der leichten Süße noch ein wenig unterstrichen.
Gin Eva und Fever Tree Tonic: Der mallorquinische Gin hat kaum Geruch und gilt als mediterran. Vermengt man ihn mit dem Tonic hat man Mandarinen in der Nase und im Mund. Sehr ausgewogen und gefällig. Auch die Bitterstoffe halten sich dezent im Hintergrund. Man kann vielleicht sagen: das ist eine Variante für Einsteiger oder der richtige Gin und Tonic wenn man eigentlich gar keinen G&T mag. 😉
Aviation und 1724: Der Aviation ist ein New Western Style Gin. D.h. der typische Wacholdergeschmack ist nur in homöopathischen Dosen vorhanden. Das Chinin für das 1724 Tonic kommt aus genau dieser Höhe in den Anden und das Wasser dafür kommt aus Feuerland. Das macht es besonders weich und auch „wertvoll“. Die Kombination ergibt eine Limo. Da muss man wirklich aufpassen, dass man nicht mal zu viel erwischt. Trinkt sich fast zu feucht-fröhlich.
Nach der Pause geht es dann mit den etwas anspruchsvolleren Gins weiter. Wir werden außerdem noch tiefer in die Herstellungsverfahren und die Historie der Spirituose, aber auch des Begleiters eingeführt.
Monkey 47 und Gents: Nein nicht alle Kombinationen waren perfekt. Aber das lag nicht am Tonic. Ich schätze das schweizer Gents Tonic sehr. Es gibt einen Gin, der mag einfach kein Tonic. Der Monkey 47 aus dem Schwarzwald ist so komplex, so gewaltig, der will, nein der darf nur alleine getrunken werden. Dieser Meinung war ich vor dem Tasting und jetzt bin ich vollständig überzeugt. Auch Herr Schemm kann das gut nachvollziehen und die Runde stimmt zu.
Berliner Brandstifter und Fentimans: Der Brandstifter, wie könnte es für ein berliner Produkt anders sein, zeichnet sich durch Waldmeisternoten aus. Als New Western Style geizt er dafür aber mit dem Wacholder. Das Fentimans Tonic ist eine gebraute Limonade und kombiniert sich gut wirklich gut. Das Tonic fährt den Gin aus der Einbahnstraße, ohne ihm den Charakter zu nehmen. Der Waldmeister darf bleiben, erhält aber Zitronengras als Partner. Die Süße darf bleiben, gibt aber Raum für trockenere Tiefe.
Hoos London Gin und Doctor Polidori: Jetzt wurde es richtig spannend. Zusammen kombinieren wir uns zu folgendem Geschmackserlebnis: Der Gin riecht und schmeckt nach der Ecke im Keller, wo eine muffige Birnenkiste steht. Über ein wenig Kiefer und Fenchel landen wir dann zusammen mit dem Tonic im Hallenbad. But in a good way, wie Serge Valentin sagen würde. Faszinierend, ich glaube irgendwann muss ich mir mal eine Flasche des karlsruher Gin holen, wer weiß welche Nuancen wir noch gar nicht entdeckt haben.
Citadelle Reservé Gin und Aqua Monaco Tonic Monaco: Der Citadelle Gin hat Fass gesehen. Daher auch die Farbe und die leichte Vanillenote. Das Tonic der Münchner ist ein trockenes und dominantes Tonic. Eigentlich hätte ich hier vermutet das der Effekt „Tonic walzt Gin platt“ eintritt. Aber das ist zum Glück nicht der Fall. Der Host hat die Paare wirklich mit sehr viel Bedacht gewählt. Das geht wieder locker runter, macht Spaß und verlangt nach mehr.
Brockmans und Goldberg Tonic: Zum Schluss wird es nochmals fruchtig. Heidelbeeren und Brombeeren dominieren den Gin und danach auch die Kombination. Man kann nicht sagen dass diese nicht lecker ist. Aber man kann man sich fragen ob man da gerade Gin und Tonic trinkt oder einen Obstschnaps. Gibt sicher Fans davon, mir fehlt da ganz viel charakteristisches eines Gin und Tonic. Es ist sogar so rund, dass sich die Bittertöne aus dem Tonic verstecken.
Ich behaupte nicht, dass ich jeden Gin, jedes Tonic oder jede Kombination mochte. Merkt man glaube ich auch. Aber die Paarungen waren auf jeden Fall immer stimmig. Wer also einen der Gins oder eines der Tonics mag, der kann sich getrost an den G&T wagen. Schon mal viel Spaß beim Nachmischen und -trinken.
Als kleines Schmankerl gabs zum Schluß noch einen Dutch Courage. Das ist ein Old Tom mit Fasslagerung. Ohne Tonic dazu. Hier kann ich nur noch festhalten, dass dieser wirklich wirklich süß ist. Außerdem bezeichnet man als Dutch Courage auch den Teil der Intoxikation, der einen so dämlich mutig werden lässt. Naja sagen wir mal so: Hätte im am nächsten Tag Kopfschmerzen gehabt, auf den hätte ich es geschoben.
Nichts dergleichen ist passiert. Es war ein wirklich gelungener Abend, auch am Tag danach. Danke noch mal an Christian, der die Plätze klar gemacht hat. Aber auch an Ehepaar Schemm. Großartige Gastgeber, die mit Passion und Sachverstand ihren Laden betreiben.