Wenn vor Erkenntnis der Mund offen stehen bleibt – Teil 1 zum Brauereibesuch bei „Mein Emmental“
Bei meiner ersten Verkostung der Biere von „Mein Emmental“ habe ich mich gefragt: was ist das für eine Brauerei, die so viele verschiedene Biere produziert. Die Biere waren gut, man hat gemerkt das hier eine Idee dahinter steckt, aber ich fand es ist noch Luft nach oben. Aber meine Neugierde war geweckt. Deshalb habe ich die Gelegenheit genutzt und bei unserem Besuch in der Schweiz einen Abstecher dorthin zu machen. Mein Bruder hat für uns ein Brauseminar mit Verkostung gebucht. Die Vorfreude war groß. In Langnau angekommen staunte ich dann nicht schlecht. Damit hatte ich nicht gerechnet…
In einem Innenhof gehen wir in einen kleinen Verkaufsraum mit einem Tisch für acht Personen. Wir werden nett empfangen, stellen uns bei der Dame am Tresen kurz vor. Währenddessen räumt ein Mann dynamisch den Raum ein wenig auf. Säcke mit Rohstoffen stapeln, Kisten wegräumen. Wir legen unsere Jacken ab und werden in den Nebenraum gebeten. Ein gefliester Raum mit einer kleinen Brauanlage, an der Seite stehen einige Kästen mit Flaschen. Da ich dachte, dass wir wahrscheinlich eine größere Gruppe werden, war ich froh das es gleich los ging. Zu viert, das wird exklusiv. Da kann man dann mal richtig in die Materie abtauchen, deshalb grinste ich schon in mich rein.
Der dynamische Herr von eben stellt sich als Stephan (Locher) vor. Wir einigen uns noch schnell auf Hochdeutsch, dem Berndeutsch könnten wir in der Geschwindigkeit leider nicht folgen. Stephan stellt sich als Braumeister vor und das er uns heute ein wenig in die Kunst des Bierbrauens einführen wird. Er zeigt uns Rohstoffe, beginnt uns die Darre zu erklären, wir riechen an verschiedenen Röstungen. An Hand eines kleinen Maisch- und Gärbottichen besprechen wir den Brauvorgang. Grundsätzlich alles bekannt, aber er macht das extrem gut und anschaulich. Geht auf die Spezifika der verschiedenen Biere ein. Und dann kommt der Satz bei dem mir der Mund offen stehen blieb und der Groschen viel „der Gärbottich fasst 50 Liter, das ist also mein Ausstoß bei
jedem Brauvorgang.“ Äh Moment? Das hier ist keine Schaubrauerei für Seminare? Das IST die Brauerei? Ein ganzer Klingelbeutel mit sprichwörtlichen Groschen fällt in meinem Kopf auf den Boden. Die offensichtliche Frage schließt sich an: „Könnt ihr davon Leben?“. Stephan verneint und ergänzt das er drei Tage pro Woche als Designer arbeitet. Und wieder klingelt es: deshalb ist die Webseite und das Flaschendesign so gut, schlüssig und besser als bei 90% der großen Brauerein.
Von da an verlieren wir uns ins Fachgesprächen und Details. Kohlensäurezusatz in der Flasche? Geht nicht anders mit der aktuellen Anlage. Reinheitsgebot? Nein, das macht heute keinen Sinn mehr. Natürlichkeitsgebot, wie Weseloh es fordert, das brauchen wir. Der Hopfen? Aus Deutschland hauptsächlich. In der Schweiz wird zu wenig davon angebaut, es gibt auch kaum passende Flächen. Der Anbau ist zu müßig, um ihn nur aus Prinzip heimatnah zu betreiben. Bei der Gelegenheit biegen wir auch kurz ab und spekulieren, dass in den USA bald große Hopfenflächen entstehen, wenn die entsprechende Vollernter marktreif sind. Bald widmen wir uns den verschiedenen Biersorten, der Flaschengärung und was es bedeutet konstant für den Gastrobedarf zu produzieren. „Das geht in der Größe meiner Brauerei eigentlich nicht“ meint Stephan, „aber die Gastwirte bedrängen mich ständig, dass sie mehr brauchen. Wir müssen etwas ändern. So komme ich gar nicht mehr dazu neue Sachen auszuprobieren und das macht mir ja eigentlich am meisten Spaß.“
Deshalb haben er und seine Frau schon ein neues Projekt in Planung. Unter anderem durch Micro Investments wollen sie eine Schaubrauerei, ein Lokal und eine größere Brauanlage finanzieren. Alles zusammen in einem schlüssigen Konzept und Design. Mit 500 Franken pro Anteil kann man Teilhaber an der Idee werden. Die größere Brauanlage, mit vier geplanten Gärtanks, ermöglicht es dann die Gastronomie konstant mit bestimmten Bieren zu versorgen und gleichzeitig in kleinerer Menge zu experimentieren. Wir sind begeistert von dieser Tatkraft und Überzeugung.
Es geht noch eine Zeit lang so weiter, knapp 90 Minuten fachsimpelten wir und hatten auch da Gefühl wir könnten noch ewig reden. Aber Stephan muss noch was arbeiten und wir hatten jetzt Durst. Zeit für ein weiteres Highlight: Eveline Locher führt uns durch eine ausgiebige Verkostung. Aber dazu mehr im zweiten Teil.